Die Maori-Prinzessin
war, was er bislang geschafft hatte, kränkte sie auch.
Als sie das Haus betraten, stürmte Tom als Erster ins Schlafzimmer.
»Komm, mein Liebling!«, rief er übermütig.
Ahorangi wollte ihm folgen und vergessen, dass ihr sein Ehrgeiz fremd war, doch in dem Augenblick, als sie den Garderobentisch passierte, drohte ihr Herz stehenzubleiben. Denn dort lag ihr grün schillerndes Hei-tiki aus Greenstone. Dieses Jadestück in Form einer menschlichen Figur hatte sie am Tag ihrer Hochzeit um den Hals getragen, in Toms Haus abgenommen und zum Schutz gegen böse Geister auf den Garderobentisch gelegt.
Ahorangi konnte nur hoffen, dass Häuptling Kanahau dieses sichere Zeichen ihrer Anwesenheit in dem Haus übersehen hatte, denn keine Pakeha-Frau besaß dieses spezielle Ornament aus Greenstone, das Ahorangi zeitlebens um den Hals getragen hatte. Es war eigens für sie gemacht worden. Sie griff danach, spürte die wärmende Energie des Schmuckstücks und betete zu den Göttern, dass es sie nicht verraten hatte. Dann trug sie es ins Schlafzimmer und ließ es unauffällig in ihrer Nachttischschublade verschwinden.
N APIER , D EZEMBER 1930
Den ganzen Nachmittag hatte Eva darüber nachgegrübelt, ob sie Adrians Geburtstagseinladung folgen sollte oder nicht. Schließlich hatte sie entschieden, sich auf ihre Weise vor dem Geburtstagsfest zu drücken. Sie blieb einfach auf ihrem Zimmer und hoffte, dass keiner sie vermissen würde.
Und doch überraschte es sie nicht, dass wenig später an ihre Zimmertür gepocht wurde. Heiser rief sie: »Ja bitte!«
Natürlich vermutete sie, dass es Adrian war, der nach ihr schauen wollte, aber es war unverkennbar Daniels sommersprossiges Gesicht, das durch den Türspalt lugte.
»Wo bleibst du denn, German Lady?«, fragte er ungeduldig.
»Ich fühle mich nicht gut«, erwiderte sie hastig und zog sich die Bettdecke bis zum Hals. Sie hatte sich mit Kleidung ins Bett gelegt.
»Bist du krank?«, fragte er erschrocken.
»Nein, nein, ich fühle mich nur nicht so gut«, erwiderte sie.
»Das reicht nicht, um sich vor dem Geburtstag meines Stiefbruders zu drücken«, lachte Daniel und zog ihr die Bettdecke weg. »Wow!«, rief er aus, denn sie lag mit dem von Harakeke perfekt auf ihre Figur geschneiderten Kleid aus grüner Seide im Bett.
»Das ist das Kleid des Abends!«, rief Daniel begeistert aus.
Wütend raffte Eva die Bettdecke zusammen und drapierte sie um ihren Körper.
»Lass das!«, fauchte sie.
»Entschuldigung«, murmelte Daniel und blickte sie mit zerknirschter Miene an.
Doch Eva tat es bereits leid, wie schroff sie Daniel angefahren hatte. Sie schüttelte die Zudecke ab und setzte sich auf.
»Ich mag einfach nicht«, sagte sie ein wenig versöhnlicher.
»Wovor hast du Angst?«
»Ich passe da nicht hin. Die Leute …«, stöhnte Eva auf.
»Du hast Angst vor Berenice? Gib es zu!«
»Nein!«
»Beweise es mir!«
»Gut, gut, ich begleite dich!«, gab sie genervt klein bei.
»Das freut mich außerordentlich. Tapferes Mädchen, aber unter uns: Sie beißt nicht«, entgegnete Daniel grinsend.
»Sehr witzig«, konterte Eva und strich sich noch einmal durch das dichte Haar, bevor sie ihm entschlossen folgte. Es wäre wirklich albern, wenn ich auf meinem Zimmer bliebe, dachte sie. Wenn ich mir von der Tochter des Hauses nichts gefallen lasse, kann es durchaus ein netter Abend werden. Außerdem würde sie ja doch die ganze Zeit verstohlen aus dem Fenster ihres Zimmers schielen, um einen Blick auf Adrian zu erhaschen.
Kaum waren sie im Garten, in dem alles festlich geschmückt war, angekommen, trafen sie das Geburtstagskind. Eva konnte nicht umhin festzustellen, dass Adrian der Abendanzug hervorragend stand. Er musterte Eva von Kopf bis Fuß, sagte aber kein Wort. Sie hoffte, Daniel würde endlich ihre Hand loslassen, die er eben im Flur ergriffen hatte. Sie war etwas verblüfft gewesen über diese intime Geste, doch Daniel hatte gemurmelt: »Das ist der beste Schutz gegen spitze Bemerkungen unserer Berenice.« So standen sie auch jetzt noch Hand in Hand vor Adrian. Daniel dachte nicht daran, ihre Hand freizugeben, obgleich nicht zu übersehen war, dass Adrian diese Vertrautheit der beiden sichtlich irritierte.
»Herzlichen Glückwunsch, Adrian«, sagte Eva, während sie sich energisch ihre Hand zurückholte. »Mein Geschenk möchte ich dir lieber unter vier Augen überreichen«, fügte sie leise hinzu. Der Gedanke, er würde ihre gezeichneten Vorschläge für die Innenausstattung
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