Die Maori-Prinzessin
Joanne lächelte Eva aufmunternd an.
Eva hingegen biss sich auf die Lippen. Anscheinend konnten Mutter und Sohn gar nicht genug beteuern, dass sie nur ein Zaungast auf Zeit im Hause war. Und eine arme Verwandte. Sie rang sich zu einem falschen Lächeln durch. »Wenn alles gut geht, dann schickt mein Vater mir gleich im neuen Jahr das Geld für eine Passage nach Amerika. Es ist wirklich nur ein kurzer Aufenthalt hier in Napier. Sozusagen ein Zwischenstopp am anderen Ende der Welt. Ich kann es gar nicht mehr erwarten, Kalifornien zu sehen. Es soll ein großartiges Land sein. Dort ist man uns um Jahre voraus«, verkündete sie betont manieriert.
Adrian sah sie verblüfft an. Tante Joanne schien sowohl die Neuigkeit als auch Evas ungewöhnlich gekünstelt klingende Stimme zu befremden. Auch die beiden Gäste schienen etwas irritiert. Tante Joanne räusperte sich kurz, doch dann setzte sie alles daran, die etwas peinliche Situation zu überspielen.
»Darf ich dir, liebe Eva, meine alte Freundin Rosalyn und ihre Tochter Margret vorstellen. Die beiden sind vor Jahren nach London gegangen, nach dem plötzlichen Tod von Rosalyns Ehemann nun allerdings nach Hause zurückgekehrt. Sie wohnen in Wellington.«
Eva streckte den beiden die Hand entgegen, allerdings ohne die Miene zu verziehen. Daran änderte auch Margrets honigsüßes Lächeln nichts, das sie ihr nun schenkte.
In diesem Augenblick kam Daniel dazu und verbeugte sich formvollendet vor Eva. »Ich bin zwar ein wenig erschöpft von dem Tanz mit Berenice, aber für dich habe ich noch Kraft übrig.«
Ohne Evas Antwort abzuwarten, nahm er sie bei der Hand. Ihr entging dabei nicht, dass er der schönen jungen englischen Lady und ihrer Mutter nur höflich zunickte, aber ansonsten kein allzu großes Interesse zeigte. Das tat Eva in diesem Augenblick sehr gut. Dann machte Lady Margret auf ihn scheinbar nicht so einen großen Eindruck wie auf Adrian. Doch Tante Joanne missfiel es offenbar, dass Daniel nicht mehr Begeisterung zeigte. Sie zupfte ihn unwirsch am Ärmel.
»Daniel, willst du denn unsere Gäste gar nicht begrüßen?«, ermahnte Tante Joanne ihren Stiefsohn in strengem Ton. »Das ist übrigens Daniel, der Sohn meines Mannes Doktor Bertram Thomas. Und das sind meine Schulfreundin Rosalyn und ihre Tochter Margret.«
Daniel deutete eine kleine Verbeugung an, murmelte knapp: »Sehr angenehm, die Damen« und zog Eva zur Tanzfläche.
»Was ist denn das für eine aufgetakelte Miss?«, flüsterte er Eva beim Tanzen ins Ohr. »Und hast du gemerkt, wie eingebildet sie ist? Sie hält sich wohl für den Nabel der Welt. Dabei ist es ihr an der blasierten Nasenspitze anzusehen, dass sie nur ein Thema kennt: Wie schnappe ich mir einen standesgemäßen Ehemann?«
»Adrian scheint es zu gefallen«, raunte Eva zurück.
»Über Geschmack lässt sich nicht streiten«, lachte Daniel, während er die Schritte beschleunigte und sie von einem Slowfox in einen Quickstep übergingen. Eva wollte gerade protestieren, denn sie hatte bislang über derlei Tänze nur gelesen, sie aber noch niemals getanzt, doch Daniel war ein begnadeter Tänzer. Ihre Füße flogen förmlich über das Parkett.
Als sie schließlich schwer atmend die Tanzfläche verließen, hatte sie Adrians Begeisterung für die junge Lady beinahe vergessen. Erst als die beiden an ihnen vorüberschwebten, spürte sie einen Stich und bat Daniel, sie nach draußen zu begleiten. Doch dort gesellte sich Berenice zu ihnen, stellte sich mit dem Rücken zu ihr und versuchte, Daniel in ein Gespräch zu verwickeln. Ich hätte auf meinen Zimmer bleiben sollen, dachte Eva, atmete tief durch und beschloss, sich klammheimlich aus dem Staub zu machen. Die günstige Gelegenheit bot sich, als Berenice Daniel eine Freundin vorstellte. Eva fühlte sich wie unsichtbar, als sie sich einen Weg durch die Gesellschaft bahnte und das Fest verließ. Keiner drehte sich nach ihr um, keiner sprach sie an. Offenbar hatte nicht einmal Daniel bemerkt, dass sie sich davongeschlichen hatte. Und wenn sie ganz ehrlich war, verletzte sie das weniger als die Tatsache, wie schwer Adrian von dieser Margret angetan war.
Auf dem Weg zu ihrem Zimmer machte sie noch einen Abstecher zu Lucie.
»Warum bist du nicht auf dem Fest?«, fragte die alte Dame, die nachdenklich in ihrem Sessel saß, statt einer Begrüßung. »Adrian wird dich sicher vermissen.«
»Dasselbe könnte ich dich fragen, Lucie. Warum feierst du nicht mit?«, erwiderte Eva.
Lucie stieß einen
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