Die Maori-Prinzessin
getanzt.«
»Ich habe Kopfweh und werde mich gleich hinlegen«, entgegnete Eva hastig.
»Schade, und was ist mit dem Geschenk?«
»Ach, du hast heute schon so viel bekommen. Das holen wir ein anderes Mal nach. Und ich kann dich unmöglich aus der hochgeschätzten Gesellschaft von Miss MacAlister entführen«, sagte sie spitz.
»Sie hat recht«, kicherte Margret. »Und ich bin die größte Überraschung des Abends, nicht wahr?« Sie griff nach seiner Hand. Obgleich Adrian einen etwas verlegenen Eindruck machte, ließ er sich von der jungen Dame auf den Flur hinausziehen.
Wenn doch bloß bald Vaters Brief mit dem Geld käme, dachte Eva grimmig. Ich will endlich fort von hier! Und das Ganze hat doch auch einen Vorteil. Jetzt bin ich endlich die Zweifel los, ob ich mich wirklich schnellstens nach Kalifornien begeben sollte. Ja, und noch einmal ja. Lieber heute als morgen! Sie stampfte vor Wut mit dem Fuß auf. Großmutter Lucie sah sie fragend an.
Zu ihrer großen Erleichterung klopfte es in dem Augenblick erneut an die Tür, was sie von einer Erklärung entband. Eva konnte sich nicht helfen. Sie hoffte, es wäre Adrian, und zwar ohne seine Begleitung, doch es war Daniel, der zögernd eintrat.
»Entschuldigung, Großmutter Lucie, dass ich hier so hineinplatze, aber ich habe diese junge Dame da überall gesucht. Sie war spurlos verschwunden. Darf ich sie entführen?« Er streckte Eva seine Hand entgegen. »Nun komm, ich möchte mit dir tanzen. Du kannst nicht einfach verschwinden!«
Eva spürte mit einem Mal ihre ganze Wut auf Adrian. »Könnt ihr mich nicht einfach alle mal in Ruhe lassen?«, fauchte sie. Daniels freundliches Lächeln erstarb.
»Natürlich, ich, ich wollte dir nicht zu nahe treten, das war nicht mein … ich gehe schon«, stammelte er, während er rückwärts zur Tür stolperte.
Nachdem Daniel draußen war, wandte sich Lucie irritiert an Eva und ließ sich auch nicht von ihrem abweisenden Blick abschrecken. »Sag mal, mein Kind, was hat dir der arme Junge getan? Du weißt wohl, dass es nett gemeint war, nicht wahr? Und dass er dich sehr gernhat?«
»Na und? Trotzdem kann mich keiner zwingen, auf das dumme Fest zurückzugehen«, schnaubte sie.
Ein wissendes Lächeln umspielte Lucies Lippen. »Ich glaube, ich verstehe, was dir die Laune verdorben hat!«, murmelte sie.
»Na gut, dann behalte es für dich«, zischte Eva, um sich schon, kaum dass sie es ausgesprochen hatte, bei Lucie zu entschuldigen. Sie bereute bereits bitter, ihren Zorn auf Adrian an Daniel ausgelassen zu haben. Doch selbst ihr schlechtes Gewissen würde sie nicht dazu bewegen, sich zu entschuldigen, solange das Fest im Gange war. Viel zu groß war die Gefahr, Adrian und seiner Margret in die Arme zu laufen. Eva verstand ja selbst nicht, warum sie so eifersüchtig reagierte. Schließlich würde sie bald weit fort sein und keinen Gedanken mehr an ihre Wochen in Neuseeland verschwenden … Sie hatte noch gar nicht zu Ende gedacht, da wusste sie bereits, dass sich ihr Herz längst tiefer mit diesem Land und seinen Leuten verbunden hatte, als sie es jemals geplant hatte.
Als könnte Lucie Gedanken lesen, schlug sie Eva vor, ihr ein wenig zu diktieren. Die Ablenkung kam ihr wie gerufen. Wortlos setzte sich Eva an die Reiseschreibmaschine.
M EEANEE , D EZEMBER 1868
Tom hatte Ahorangi für das Weihnachtsfest viele Überraschungen versprochen. Seit Tagen bastelte er in dem Zimmer, das einmal das Kinderzimmer werden sollte, hinter verschlossener Tür an etwas Geheimem. Obwohl sie keine Ahnung hatte, was er dort tat, rührte sie der Ernst, mit der er dieses erste gemeinsame Weihnachtsfest vorbereitete. Sie wusste von den Missionaren, dass es ein besonderer Tag war, den man festlich beging.
Langsam kam auch bei ihr Festtagsstimmung auf, denn mittlerweile war sie davon überzeugt, dass ihr Vater das verräterische Amulett aus Greenstone bei seinem Aufenthalt in Toms Haus schlichtweg übersehen hatte. Sein Besuch war inzwischen fast drei Wochen her und welchen Grund sollte er haben, so viel Zeit vergehen zu lassen?
»Ich muss noch einmal zum Haus. Wir wollen das Fundament für die Nebenräume ausheben. Aber nicht ins Kinderzimmer gehen und schnüffeln!« Tom drohte spielerisch mit dem Zeigefinger.
»Soll ich nicht lieber mitkommen?«, fragte Ahorangi.
»Ach, Liebes, das lohnt sich nicht. Ich werde es nicht erlauben, dass meine schwangere Frau uns beim Graben hilft. Und in der Hitze zu hocken, ist auch nicht gut für
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