Die Maori-Prinzessin
preschte davon. Sie erwartete jeden Augenblick, das Geräusch der trappelnden Hufe ihrer Verfolger zu vernehmen, aber es blieb alles still. Ahorangi wusste auch nicht, warum, aber plötzlich hielt sie das Pferd an und drehte sich um.
Dort, wo eben noch ihr Haus gestanden hatte, wütete ein unbarmherziges Feuer, das alles verschlang, das sich ihm in den Weg stellte. Und das schöne weiße Holz war eine leichte Beute für die Flammen.
Ein ziehender Schmerz durchfuhr ihren Unterleib, als würden tausend Nadeln hineinstechen, doch Ahorangi biss die Zähne zusammen und gab ihrem Pferd die Sporen.
N APIER , D EZEMBER 1868
Im Galopp gelangte Ahorangi nach Napier. Keuchend sprang sie vom Pferd, als sie bei ihrem neuen Haus angelangt war.
»Tom!«, schrie sie. »Tom! Sie haben unser Haus angezündet.«
Ihr Mann stand in der Grube, sein Gesicht war schwarz vor Dreck, und er schien sie nicht richtig verstanden zu haben.
»Was machst du denn hier? Du sollst nicht allein über die Ebene reiten!«
»Tom! Verdammt, mein Vater und Hehu haben unser Haus abgefackelt. Es brennt lichterloh.«
Wie der Blitz kletterte Tom aus der Grube und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Wo sind sie jetzt?«
»Ich weiß es nicht, sie haben mich jedenfalls nicht verfolgt!«
»Und woher weißt du, dass es die beiden waren?«
»Sie sind in unser Haus eingedrungen, aber ich habe mich unter dem Bett versteckt. Doch als sie weg waren, da habe ich erst gemerkt, was sie getan haben.«
Ahorangi schluchzte auf. Tom nahm sie in den Arm und flüsterte ihr tröstende Worte zu. Dass sie ja jetzt dieses Haus hätten, so schrecklich die Tat ihres Vaters auch wäre. Ahorangi war allerdings durch nichts zu beruhigen. Ihr ganzer Körper wurde vom Schluchzen geschüttelt.
»Nicht weinen, mein kleiner Liebling. Denk an unser Kind. Wir werden heute hier übernachten. Es steht ja schon alles außer diesem Anbau. Und dann besorge ich uns neue Möbel und …«
»… aber deine Überraschung«, klagte Ahorangi.
»Bis Weihnachten habe ich eine neue Krippe gebaut«, versicherte er ihr.
»Und mein Braten und das Kochbuch deiner Mutter. Ich wollte dir heute einen, wie heißt es noch auf Deutsch, einen Sauenmagen machen.«
Toms Mundwinkel zuckten verdächtig. Er konnte sich ein Grinsen kaum verkneifen – nicht etwa, weil er sie auslachte, sondern weil sie das Gericht seiner Heimat so entzückend falsch ausgesprochen hatte.
»Liebes, es ist gar nicht gesagt, dass alles zerstört ist. Wir werden uns gleich aufmachen und nachsehen.«
»Nein, Tom, wir können da nicht hin. Was, wenn sie uns auflauern?«
»Du hast recht. Du bleibst hier in Sicherheit.«
Ahorangi klammerte sich an ihren Mann. »Bitte geh nicht! Lass mich nicht allein! Ich habe solche Angst.«
»Aber hier kann dir doch nichts geschehen. Ich verstehe sowieso nicht, wie sie uns auf die Schliche gekommen sind. Wahrscheinlich werden sie sich im Ort durchgefragt haben.«
»Dann wüssten sie auch von diesem Haus. Nein, Tom, es ist viel profaner. Im Flur auf dem Tisch lag mein Amulett aus Greenstone. Und wenn Vater das gesehen hat, dann wusste er Bescheid.«
»Warum kommt er denn erst jetzt, Wochen nach dem ersten Besuch?«
»Ich glaube, ich kenne den Grund«, erwiderte Ahorangi. »Hast du mir nicht selber erzählt, dass Te Kooti versucht hat, nach seinem Ausbruch von den Chathams Maoriführer aus der Poverty Bay für sich zu gewinnen? Und dass er aus lauter Wut, weil sie ihm die Gefolgschaft verweigert haben, die Siedlung Matawero angriffen hat und dass er nun von Pakeha und Maori gleichermaßen verfolgt wird?«
»Ja schon …«
»Erinnerst du dich an den dritten Maori, der in unser Haus kam, als mein Vater dort nach mir suchte, und der etwas von Te Kooti gesagt hat?«
Tom nickte.
»Ich denke, da hat mein Vater von dem Ausbruch erfahren und sich aufgemacht, ihn zu jagen. Denn ihn hasst er mindestens ebenso, wie er die Pakeha hasst.«
»Du meinst, er war in kriegerische Handlungen verwickelt?«
»Genau, und jetzt holt er mich!«
»Das, mein Liebling, wird um keinen Preis geschehen! Pass auf, ich bringe dich in der Mission in Sicherheit und schaue dann nach unserem Haus.«
Tom hatte Ahorangi gerade geholfen, auf sein Pferd zu steigen, als sich plötzlich wie aus dem Nichts zwei Reiter näherten.
Ahorangi erstarrte. Es gab nicht den geringsten Zweifel, wer diese Männer waren.
Tom griff in seine Satteltasche, um sein Gewehr hervorzuholen, aber die beiden waren schneller bei ihm, als
Weitere Kostenlose Bücher