Die Maori-Prinzessin
dich.«
Ahorangi streichelte versonnen über ihren Bauch, der immer noch nicht annähernd gewölbt war.
»Gut, dann langweile ich mich im Haus oder noch schlimmer, ich versuche mich an einem Kuchen.«
»Vielleicht sollte ich dich doch lieber mitnehmen«, scherzte Tom, bevor er seine Arbeitskleidung ergriff, ihr einen Kuss auf die Wange gab und das Haus verließ. Sie blickte ihm aus dem Fenster nach, wie er auf dem Pferd über die Ebene preschte. Dann machte sie sich an die Arbeit. Sie hatte damit gerechnet, dass Tom sie nicht mitnahm, und für den Fall eigene Pläne geschmiedet. Denn auch sie wollte ihn überraschen. Mit einem ungewöhnlichen Essen. Sie hatte nämlich auf der Anrichte ein handgeschriebenes Kochbuch seiner Mutter entdeckt und sich einige der Rezepte von der deutschstämmigen Frau des Schlachters in Napier übersetzen lassen. Die hatte ihr als besondere Spezialität den Keschde-Saumagen ans Herz gelegt. Ein guter Saumagen mit Esskastanien sei der Hochgenuss für jemanden, der aus der Pfalz stamme, hatte sie versichert. Und sie hatte ihrer Kundin sämtliche Zutaten besorgt. Nun musste Ahorangi nur noch den in simplem Englisch verfassten Anweisungen folgen.
Sie hatte gerade alles, was sie benötigte, auf dem Küchentisch ausgebreitet und wollte sich an die Arbeit machen, als sie Hufgetrappel vernahm. Wer näherte sich dem Haus im Galopp?, fragte sie sich. Hatte Tom etwas vergessen? Das wäre unpassend, wenn er jetzt zurückkäme. Dann wäre das Kochen seines Heimatgerichts keine Überraschung mehr. Ahorangi sprang auf und blickte aus dem Fenster. Was sie dort sah, ließ ihr beinahe das Blut in den Adern gefrieren: Es war nicht ihr Mann, der sich unaufhaltsam auf das Haus zubewegte, sondern ihr Vater, in Begleitung ihres einstigen Bräutigams Hehu. Ahorangi wich vom Fenster zurück und blieb wie erstarrt stehen. Sie dürfen mich nicht finden, durchfuhr es sie eiskalt. Doch wie sollte sie das verhindern? Ich muss ihnen den Eindruck vermitteln, dass keiner zu Hause ist, schoss es ihr durch den Kopf.
Ahorangi rannte ins Schlafzimmer und sah sich hektisch um. Sie war sich sicher, dass die beiden sich Einlass in das Haus verschaffen würden, denn die Haustür war nicht einmal abgeschlossen. Da hörte sie bereits die erregte Stimme ihres Vaters. »Los, hol sie dir!«, feuerte er Hehu in Ahorangis Muttersprache an. Sie überlegte fieberhaft, wohin sie verschwinden konnte. Dann fiel ihr Blick auf das Bett und sie krabbelte, ohne weiter nachzudenken, darunter und hielt die Luft an.
Da ertönten bereits laute Rufe in ihrer Muttersprache. Türen wurden aufgerissen und Ahorangi konnte die Füße der beiden sehen, als sie das Schlafzimmer durchsuchten.
»Keiner da!«, schimpfte Häuptling Kanahau. »Aber wir werden sie aufspüren und diese Ratte, die sie gekidnappt hat, erschlagen.«
Am liebsten wäre Ahorangi aus ihrem Versteck gekrochen und hätte ihnen ins Gesicht geschleudert, dass Tom nicht ihr Entführer war, sondern sie freiwillig mit ihm gegangen war. Doch sie kannte ihren Vater. Das wäre ihm völlig gleichgültig. Er würde nicht eine Sekunde zögern, sie an den Haaren auf sein Pferd zu zerren und in ihr Dorf zurückzuschleppen. Selbst wenn sie ihm von dem Pakeha-Kind erzählte, das unter ihrem Herzen wuchs.
Sie wagte kaum zu atmen, wartete voller Angst und Entsetzen, bis die beiden das Schlafzimmer verlassen hatten. Mit pochendem Herzen blieb Ahorangi in ihrem Versteck liegen, noch lange, nachdem die Haustür hinter ihren Verfolgern zugeklappt war.
Erst nach einer gefühlten Ewigkeit traute sie sich unter dem Bett hervor. Ihr war übel. Unwillkürlich öffnete sie den Nachttisch und nahm ihr Hei-tiki an sich. Das Atmen fiel ihr schwer. Als würde Rauch sich im Raum ausbreiten. Als sie aufrecht stand, hatte sie die Gewissheit, dass es keine Einbildung war. Beißender Rauch lag in der Luft. Mit zugehaltener Nase stob sie aus dem Zimmer und erreichte gerade noch die Haustür. Kaum hatte sie diese geöffnet, musste sie sich heftig übergeben Sie merkte nicht einmal, dass ihr dabei das Heitiki aus der Hand glitt und auf der Veranda liegenblieb. Nachdem sie alles herausgewürgt hatte, wandte sie sich erschrocken um. Von ihrem Vater und Hehu war keine Spur mehr zu sehen. Sie waren fort. Ungläubig beobachtete sie, wie Flammen aus dem Wohnzimmerfenster gen Himmel schossen.
Trotz der Gefahr, die es in sich barg, wenn sie aus der Deckung kam, musste sie es wagen. Ahorangi schnappte sich ein Pferd und
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