Die Maori-Prinzessin
bat Hehu, dorthin zu reiten. Sie wollte sich mit eigenen Augen davon überzeugen, ob die Flammen etwas übrig gelassen hatten.
Als sie die »Mission« passierten, sahen sie Rauch aus den Trümmern steigen. Das Holzhaus war vollständig niedergebrannt. Fassungslos starrte Ahorangi in die schwelende Glut, von der immer noch eine schier unerträgliche Hitze ausging. Irgendwo meinte sie, ein paar Töpfe und einen Kessel aus Eisen, die das Feuer schwer verformt hatte, auszumachen. Sie senkte niedergeschlagen den Blick, da entdeckte sie etwas Grünes zu ihren Füßen. Sie wusste sofort, was es war, bückte sich und griff nach ihrem Hei-tiki. Von dem Band, mit dem Ahorangi es um den Hals getragen hatte, war nicht mehr viel übrig, aber das Amulett selbst war unbeschädigt.
»Pounamu!«, rief Hehu voller ungläubigem Erstaunen aus.
Ahorangi betrachtete das Schmuckstück wie ein Wunder. Dann blickte sie auf.
»Ich schenke es dir«, sagte sie schließlich mit Tränen in den Augen.
Hehu weigerte sich zunächst, es anzunehmen. »Aber es gehört dir! Es hat dich immer beschützt …«
»Eben nicht!«, erwiderte Ahorangi. »Es hat mich verraten oder woran hat mein Vater erkannt, dass ich in Toms Haus lebe? Mein Mann hat doch alle Beweise meiner Existenz versteckt. Bis auf das Hei-tiki.«
Hehu senkte den Kopf. »Ich habe es entdeckt und es ihm gezeigt! Ich habe gesagt, du musst in dem Haus leben, weil es dein Amulett ist. Dein Vater war skeptisch und vermutete, man habe es dir gestohlen, aber ich war krank vor Eifersucht und wollte, nachdem wir gegen Te Kootis Leute gekämpft hatten, unbedingt nachsehen, ob du in diesen Haus lebst. Wenn ich nicht darauf beharrt hätte, könnte dein Vater noch am Leben sein!«
»Mach dir keine Vorwürfe. Die Einzige, die mit der Schuld leben muss, bin ich. Denn ich habe meinen eigenen Vater getötet. Bitte, nimm das Hei-tiki, ich darf das Amulett, das er mir geschenkt hat, nicht länger tragen.«
Zögernd nahm Hehu das Schmuckstück zur Hand. »Ich werde es in Ehren halten«, versprach er leise und nahm Ahorangi in den Arm. Sie lehnte sich an seine Brust und schluchzte laut auf. Erst in diesem Augenblick kam in ihrem Herzen an, was sie getan hatte. »Ich habe ihn erschossen!«, wiederholte sie ein paar Mal. Hehu drückte sie noch fester an sich.
»Lass die Frau los!«, ertönte wie aus dem Nichts die Stimme von Bruder Pierre. Er musste sich angeschlichen haben, denn Ahorangi hatte ihn nicht kommen hören. Sie befreite sich aus Hehus Umarmung und fuhr herum. Dort stand der katholische Bruder mit einer Flinte in der Hand; sein Kopf war hochrot. Es war ein seltsames Bild.
»Er tut mir nichts«, versuchte Ahorangi ihn zu beruhigen, doch Bruder Pierre brüllte: »Nimm die Hände hoch, Maori!« Widerwillig tat Hehu, was der Mönch verlangte.
»Er führt nichts im Schilde. Lass ihn ziehen«, verlangte Ahorangi nachdrücklich. Jetzt begriff Bruder Pierre, dass sie es ernst meinte, und ließ das Gewehr zögernd sinken.
»Das ist der Kerl, mit dem dein Vater bei uns aufgekreuzt ist! Und wer sonst soll euer Haus abgefackelt haben?«
»Ja, es stimmt, das waren die beiden, aber er bereut es bitter, nicht wahr?«
Hehu nickte.
»Und wo ist dein Vater?«
Ahorangi räusperte sich ein paar Mal. »Mein Vater ist schon in unser Dorf zurückgeritten«, verkündete sie schließlich.
»Und du traust dem Kerl?«
Ahorangi nickte. »Ja, er lässt mich unbehelligt ziehen!«
»Und woher der Sinneswandel?«
»Sie ist seine Frau und erwartet sein Kind«, sagte Hehu. »Und trotzdem wird sie eine von uns bleiben. Und auch ihr Kind!«, fügte er trotzig hinzu.
»Du irrst dich. Sie ist längst eine von uns! Getauft auf den Namen des Herren!«
Hehu musterte Ahorangi durchdringend. »Das hast du nicht getan, oder?«
»Natürlich hat sie das getan. Und auch ihr Kind wird getauft. Es ist ein Pakeha!«
»Nein, es ist ein Maori. Und es darf eines Tages selbst entscheiden, wo es hingehört. Das ist deine einzige Chance, dein Kind vor dem Fluch deines Vaters zu beschützen!« Hehu merkte gar nicht, dass er zu schreien begonnen hatte.
»Ich glaube nicht daran!«, brüllte Ahorangi zurück. »Vater hat das im Zorn gesagt!«
»Was hat dein Vater im Zorn gesagt?«, fragte Bruder Pierre.
»Er hat ihre Kinder verflucht. Sie sollen sterben wie die Fliegen, hat er gesagt«, entgegnete Hehu, während sich Ahorangi die Ohren zuhielt.
»Du darfst das nicht wiederholen. Es hat keine Bedeutung! Niemals!«, murmelte sie
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