Die Maori-Prinzessin
insgeheim schon diese Sorgen gemacht, ob ihr Baby wirklich gesund war. Nun schrie es aus vollem Hals und seine gelbliche Gesichtsfarbe hatte eine eher krebsrote Tönung angenommen.
Wieder versuchte sie, das Kind mit der Brust zu beruhigen, aber es wollte nicht trinken. Stattdessen brüllte es weiter. Lucie hoffte, dass Tom es hören und kommen würde, aber außer dem Geschrei blieb alles still. Wahrscheinlich waren sie nach draußen in den Garten gegangen und ließen im Teich Tommys Boote schwimmen. Das war nämlich sein größtes Vergnügen.
Als sich ihre Tochter auch nicht durch Wiegen und gutes Zureden beruhigen ließ, kletterte Lucie aus dem Bett. Sie war allerdings nicht besonders sicher auf den Beinen. Ihr war etwas schwindlig, weil sie zu schnell aufgestanden war, aber ihr eigenes Unwohlsein galt es zu überwinden. Nun stand für sie das Wohl des Kindes im Vordergrund. Und es wollte einfach nicht mehr aufhören zu brüllen. Da half alles nichts. Es hörte nicht auf, obwohl Lucie mit ihm im Zimmer auf und ab ging. Doch dann war plötzlich alles ruhig.
Lucie atmete auf. Und trotzdem fand sie es merkwürdig, dass ihre Tochter von einem Schreianfall wieder direkt in einen tiefen Schlaf gefallen war. Nein, da stimmte etwas nicht. So etwas spürte eine Mutter. Lucie rief nach Mary, die sofort herbeigeeilt kam.
»Holen Sie bitte Miss Benson. Schnell, mit meiner Tochter ist etwas nicht in Ordnung.«
Lucie kehrte zurück zum Bett, weil ihr so schwindlig wurde, dass sie sich setzen musste. Wie friedlich sie aussieht, dachte Lucie ergriffen, und doch wollte dieses unangenehme Gefühl nicht aus ihrem Magen weichen. Als würde ein schwerer Kloß auf ihm lasten. Immer wieder beugte sich Lucie über ihr Kind, um seinen Herzschlag zu spüren.
Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis Mary unverrichteter Dinge zurückkehrte.
»Sie ist bei einer Geburt«, keuchte sie.
»Dann hol Doktor Thomas.«
»Was hat es denn?«, fragte Mary.
»Ach, ich weiß auch nicht. Es trinkt nicht, es schreit ganz fürchterlich, und dann fällt es wieder in einen tiefen Schlaf. Das ist nicht normal. Denk nur daran, wie Tommy war. Bitte, sieh nach meinem Mann.«
»Ich hole ihn. Das verspreche ich Ihnen!«
»Bitte, und schauen Sie, ob er im Garten ist. Schicken Sie ihn schnellstens her. Und geben Sie Tommy bei Misses Dorson ab.«
Wie der Blitz war Mary aus der Tür, während Lucie ihr schlafendes Kind zärtlich betrachtete. Sie zuckte zusammen, als die Kleine plötzlich im Schlaf merkwürdig zu schnaufen begann.
In diesem Augenblick trat Tom hinzu.
»Mary hat gesagt, es ist was mit Margret«, stieß Tom ängstlich hervor.
»Margret?«
»So soll sie heißen«, sagte er und wollte ihr das Kind abnehmen, doch sie gab es nicht her.
»Hör nur, wie seltsam sie atmet, und sie trinkt nichts.« Lucie war jetzt den Tränen nahe.
Das Schnaufen wurde stärker.
»Nun tu doch etwas!«, rief Lucie in Panik.
»Ich weiß auch nicht, was mit ihr ist«, erwiderte Tom verzweifelt. »Lass uns ganz ruhig bleiben und auf den Doktor warten.«
Das Schnaufen verebbte so plötzlich, wie es begonnen hatte. Margret lag wieder ganz still in Lucies Arm.
Zu still, wie Lucie sofort bemerkte.
»Sie atmet nicht mehr«, schrie sie. »Sie atmet nicht mehr.«
Tom beugte sich über Margret und horchte. Er war kalkweiß im Gesicht, als er den Kopf hob.
»Sie … sie ist tot.«
»Red keinen Unsinn«, heulte Lucie auf. »Sie schläft! Sie schläft nur.«
Tom streckte seine Hände nach dem Kind aus. »Bitte gib sie mir!«
»Niemals!« Lucie hielt Margret fest im Arm.
»Lucie, bitte, gib sie mir!«
Lucie sah ihn aus schreckensweit geöffneten Augen an. »Nein, nein, das kann nichts ein, der Häuptling hat keine Macht über meine Kinder. Sie werden leben. Alle. Verstehst du, sein Fluch hat keine Kraft …«
»Um Himmels willen, wovon redest du?«
»Mein Vater hat unsere Kinder verflucht. Sie werden alle sterben, nur hat er gar keine Macht über uns. Er nicht. Jetzt muss uns dein Gott helfen.«
Tom versuchte erneut, ihr das leblose Kind fortzunehmen, aber sie presste es fest an ihre Brust.
»Nein, ihr bekommt es nicht«, schluchzte sie. »Keiner bekommt mein Mädchen!« Lucie war nicht mehr bei Sinnen. Der Schmerz hatte sie verwirrt. »Geh, Vater, geh, du wirst mir meine Kinder nicht nehmen!«
Erst die Stimme des Arztes brachte sie wieder zur Besinnung. »Misses Bold, bitte geben Sie uns Ihr Baby. Bitte!«
Lucie sah Doktor Thomas eine Zeitlang unschlüssig an, doch
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