Die Maori-Prinzessin
trinken.
»Versuchen Sie es später noch einmal. Ich bin morgen wieder da. Und wenn es Schwierigkeiten gibt mit dem Stillen oder sonst etwas nicht in Ordnung ist, schicken Sie Ihre Haushaltshilfe nach mir.«
»Danke, aber was soll schon sein, liebe Miss Benson? Und schauen Sie nicht so grimmig drein. Es wird schon keiner mit den Fingern auf sie zeigen, weil sie etwas dunkelhäutiger sein wird als die anderen. Sie ist eine Bold und das zählt!«
»Auf Wiedersehen, Miss Bold. Ich werde Ihrem Mann auf dem Weg zur Tür Bescheid sagen«, entgegnete die Hebamme steif und verließ das Zimmer.
»Auf Wiedersehen, Miss Bold, Ich werde Ihrem Mann auf dem Weg zur Tür Bescheid sagen«, äffte Lucie die strenge Stimme und den näselnden Ton der Hebamme nach, kaum dass diese die Tür hinter sich geschlossen hatte, und lachte aus voller Kehle.
»Meine kleine Süße«, flüsterte sie dem Kind zu, das inzwischen wieder in ihrem Arm eingeschlafen war. Sie hat ein ganz anderes Temperament als Tom, dachte sie gerührt, sie ist beileibe nicht so lebhaft wie der kleine Draufgänger.
Strahlend sah sie zur Tür, als der große Tom und der kleine Tommy Hand in Hand und auf leisen Sohlen das Schlafzimmer betraten.
»Schau sie dir nur an, dein kleines Schwesterlein«, ermunterte Lucie Tommy, näherzukommen. Er trat ans Bett und betrachtete das kleine Bündel wie ein Wunder.
Der große Tom wagte sich nun an ihr Bett, beugte sich über sie und gab ihr als Erstes einen Kuss auf die Stirn, bevor er das Baby betrachtete.
»Warum trinkt sie nicht?«, fragte er nach einer Weile.
»Sie schläft«, erklärte Lucie ihm und bat, die beiden sie nun auch ein wenig ruhen zu lassen. Aber das Kind wollte sie bei sich behalten.
»Ich erdrücke es schon nicht. Ich will nur ein wenig dösen. Ist sie nicht entzückend?«
Etwas missfiel Lucie am Blick ihres Mannes. Für ihr Gefühl musterte er das Neugeborene viel zu skeptisch.
»Gefällt dir etwas nicht an ihr?«
»Doch … nein … ja, es ist … es ist nur die Gesichtsfarbe, sie ist, ich meine …«, stammelte er.
Lucie funkelte ihn wütend an. »Du hättest dir keine Maori zur Frau nehmen sollen, wenn es dich stört, dass deine Kinder auch nach der Mutter kommen können. Durch eure heilige Taufe wird nicht das Blut des Kindes gereinigt! Und wenn es beim nächsten Mal aussieht wie meine Schwester, schwarz wie die Nacht, krauses Haar, eine breite Nase und …«
»Liebling, nein, das wollte ich damit gar nicht sagen«, unterbrach Tom sie hastig. »Die Haut hat einen Gelbstich, wie ich es noch bei keinem Maori gesehen habe. Und die Augen …«
»Das wird unsere besondere Mischung sein«, entgegnete Lucie ungerührt und wandte sich wieder ihrem Kind zu, während sich in ihrem Bauch eine unbestimmte Angst bemerkbar machte. Sie schob das auf ihre Erschöpfung und bat Tom energisch, das Zimmer zu verlassen, weil sie schlafen wollte. Der kleine Tom sah sie mit großen Augen an. Lucie wusste sofort, warum. Er hatte noch nie zuvor einen derart schroffen Ton aus ihrem Mund gehört.
»Tommy, mein Süßer, die Mama muss jetzt ausruhen und nachher siehst du zu, wie ich die Kleine wickele. Und ihr beide denkt euch schon mal einen schönen Namen aus. Das überlasse ich ganz euch beiden.«
Tommy war noch zu klein, um zu verstehen, was seine Mutter sagte, aber er lächelte trotzdem. Das war wieder der liebevolle Ton, den er von ihr kannte.
Lucie nahm die Hand ihres Mannes und drückte sie fest. Tom verstand, was sie ihm sagen wollte.
»Nein, du musst mir verzeihen. Es war dumm von mir, Spekulationen über die Hautfarbe unseres Kindes anzustellen. Sie ist wunderschön, so wie sie ist.«
»Das mit dem Namen meine ich ernst. Ich möchte, dass du ihren Namen auswählst. Ich werde dann bestimmen, wie unser zweiter Sohn heißt.«
Tom erwiderte den Druck ihrer Hände und löste sich sanft von ihr.
»Komm, kleiner Mann«, sagte er und hievte seinen Sohn mit einem Schwung hoch auf seine Schultern. Der kleine Kerl quietschte vor Vergnügen.
Lucie ließ sich tiefer in ihre Kissen sinken, nachdem sie wieder allein war. Dann heftete sie ihren Blick auf das Kind. Es schlief immer noch, und leise Zweifel krochen in ihr hoch, ob wirklich alles in Ordnung war mit dem Neugeborenen. Wenn sie an Tommy dachte … aber sie schob ihre Ängste beiseite und versuchte, mit dem Kind im Arm einzuschlafen.
Sie erwachte vom Schreien ihrer Tochter und war sofort wach. Ja, es war fast Musik in ihren Ohren, hatte sie sich doch
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