Die Marionette
startete, sobald alle an Bord waren. Neben dem Psychologen und Eric waren Martinez und Schavan mit von der Partie. Der Rest des rund zwanzigköpfigen Teams des Lagezentrums war unter der Leitung der Mitarbeiter des Verfassungsschutzes in Berlin geblieben. Vor Ort brachte sich bereits ein Sondereinsatzkommando der Polizei in Stellung. Alle Zufahrtsstraßen wurden überwacht. Spezialisten in Zivil durchkämmten mit Hunden das Zentrum der alten Fachwerkstadt, falls Katja den Sprengsatz bereits plaziert haben sollte. Während des einstündigen Flugs wurde eine Standleitung nach Berlin geschaltet, über die Florian Wetzel sie mit aktuellen Informationen versorgte.
Valerie erlebte den Flug mit äußerst gemischten Gefühlen. Wenn Katjas nächstes Ziel wirklich Calw war, dann lief sie geradewegs in eine Falle, und auf der Agenda der Einsatzkräfte besaß der Schutz ihres Lebens keine Priorität. Bender musste gerettet werden. Die drohende Gefahr für Unbeteiligte ausgeräumt.
Sie sucht den Tod.
Valerie wusste ganz genau, was diese Worte bedeuteten. Sie war selbst rücksichtslos mit sich umgegangen nach ihrer Rückkehr aus Rumänien, hatte über alle gesunden Grenzen hinaus das Risiko geradezu gesucht. Und doch hatte sie immer noch Hoffnung, Katja zu retten. Nach dem ersten Gespräch gleich nach ihrer Ankunft in Berlin waren alle weiteren Versuche der Kontaktaufnahme und Kommunikation vergeblich gewesen, aber Valerie war fest entschlossen, nicht aufzugeben, und sie ahnte, dass zumindest Eric Mayer dieses Ziel im Geheimen ebenfalls verfolgte. Es kollidierte mit seinem eigentlichen Auftrag, aber sie war sich sicher, dass er sich darüber hinwegsetzen würde, obwohl seine berufliche Karriere beim BND nach wie vor eng mit dem Erfolg ihrer Mission verknüpft war. Seine Integrität war angekratzt nach den Ereignissen in Afghanistan.
Die einzige unbekannte Größe im Spiel war Martinez. Niemand wusste, welche Instruktionen er bei seinem Briefing in der amerikanischen Botschaft von seinen Vorgesetzten erhalten hatte. Er war am Morgen mit übelster Laune in das Lagezentrum zurückgekehrt und hatte seither eine beobachtende Position eingenommen. Wenn Eric irgendetwas darüber wusste, so gab er es nicht preis. Auch die anderen Mitglieder des Teams wahrten den Abstand. Sogar Wetzel hatte sich in Zurückhaltung geübt. Es war Valerie nicht entgangen, dass insbesondere Schavan einen älteren Groll gegen Martinez hegte. Wenn es nicht unbedingt nötig war, vermieden die beiden das direkte Gespräch. Sie hatte Wetzel darauf angesprochen. Er hatte ausweichend geantwortet, aber sie hatte verstanden, dass die gegenseitige Abneigung ihren Ursprung in den Ereignissen vor anderthalb Jahren in Hamburg im Rahmen der Sicherheitsmaßnahmen rund um den Klimagipfel hatte. Valerie hatte Schavan als einen ruhigen, sehr korrekten und kompetenten Mann kennengelernt, dem aber durchaus ein Hauch von Bürokratie anhaftete und der sich weigerte, das System, für das er arbeitete, in Frage zu stellen. Vermutlich waren das genau die Gründe für ihr unterkühltes Verhältnis. Auch jetzt saßen die beiden sich gegenüber, und jeder blickte in eine andere Richtung, während sie Wetzels Stimme lauschten. »Kollegen der Landespolizei in Brandenburg haben herausgefunden, wo sich Katja mit Bender aufgehalten hat. Sie waren in einer seit der Wende leerstehenden Villa mitten im Wald ganz in der Nähe von Berlin. Die Spurensicherung ist vor Ort. Und wir haben das Hotel in Bonn, in dem sie zusammen mit Bender unter demselben Namen abgestiegen ist, den sie für die Anmietung des Wagens benutzt hat. Sie hat Bender dort als ihren kranken Vater ausgegeben.«
»Gibt es was Neues in Bezug auf Köln-Wahn?«, wollte Mayer wissen.
»Njet«,
antwortete Wetzel, »aber wir haben eine Anzeige aus dem städtischen Krankenhaus in Magdeburg erhalten.«
Eine Frau, deren Beschreibung auf Katja passte, war überrascht worden, als sie aus der kardiologischen Abteilung ein Medikament zur Blutdrucksenkung entwendet hatte. Sie hatte sich als Ärztin einer anderen Station ausgegeben. Zunächst hatte man ihr geglaubt, die Oberschwester hatte Katja dann jedoch auf dem Fahndungsfoto wiedererkannt. Zu diesem Zeitpunkt hatte Katja zusammen mit Bender Magdeburg jedoch schon weit hinter sich gelassen.
»Sie riskiert viel, um ihn am Leben zu erhalten. Man sollte doch meinen, es könnte ihr egal sein«, bemerkte Schavan mit einem Unterton, der Martinez mit gerunzelter Stirn aufsehen ließ und
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