Die Marionette
veranlasste die Verlegung von Sondereinsatzkommandos der Polizei in die entsprechenden Orte. Gleich darauf zog er sich mit Mayer und Martinez für eine Videokonferenz mit den Einsatzleitern zurück in den Konferenzraum.
Valerie sah ihnen nach. Es blieb ein unbefriedigendes Gefühl. Als ob sie etwas übersehen, etwas vergessen hatten, das am Rande ihres Bewusstseins nagte, aber einfach nicht greifbar war. Ihr Blick wanderte zu Wetzel, der mit gerunzelter Stirn vor seinem Laptop saß. Sie stand auf und ging zu ihm hinüber. »Haben Sie noch was gefunden?«, fragte sie.
»Ich überprüfe hier gerade etwas«, erwiderte er, ohne aufzusehen. Er drehte den Computer, so dass sie das Foto erkennen konnte, das er auf dem Monitor aufgerufen hatte. Es war die Aufnahme der Überwachungskamera der Tankstelle in Wolfenbüttel. Eine Frau, die durchaus Katja sein konnte, verließ gerade das Tankstellengebäude. Drei Fahrzeuge standen an den Zapfsäulen. Eines davon ein dunkler Geländewagen der Marke Nissan, von dessen Kennzeichen lediglich die Buchstabenkombination DH -H zu erkennen war.
»Gleich nachdem wir die Aufnahme heute Nacht erhalten haben, habe ich mir von der Zulassungsbehörde eine Liste möglicher Kennzeichen, unter denen Fahrzeuge dieses Typs zugelassen sind, schicken lassen«, erklärte er. »Es sind tatsächlich nur wenige, da wir Typ, Baujahr und Farbe kennen, und es sich nicht um einen Wagen handelt, der bei uns in Riesenstückzahlen läuft.« Seine Finger flogen über die Tastatur. Valerie sah ihn fragend an. »Was ich habe, vergleiche ich jetzt mit den Daten von TollCollect, dem Betreiber des Mautsystems auf unseren Straßen«, fuhr Wetzel fort. »Vielleicht haben wir ja Glück. Vielleicht war sie so unvorsichtig, eine Autobahn zu benutzen.«
Trotz der Brisanz der Situation und der Gefahr, die Katja für die Bevölkerung darstellte, verspürte Valerie eine unangenehme Beklemmung. Wetzel hatte sich wahrscheinlich in das Mautsystem gehackt. Datenschutz und Bürgerrechte standen zu schnell zur Disposition in gewissen behördlichen Kreisen, und sie hatte am eigenen Leib erfahren, wohin das führen konnte. Wetzel bemerkte ihren Blick, ihr plötzliches Zögern, bevor er jedoch etwas dazu sagen konnte, tat sich etwas auf dem Bildschirm. Valerie hielt den Atem an.
»Da!« Wetzel vergrößerte die Aufnahme einer Mautkamera auf der A 61, Höhe Worms. »Sie ist auf dem Weg nach Calw«, sagte er mehr zu sich selbst und starrte konzentriert auf den Monitor. Wieder huschten seine Finger über die Tasten. Am anderen Ende des Raums begann ein Drucker zu arbeiten.
Eric Mayer dämpfte kurz darauf Wetzels Enthusiasmus. »Wir haben nicht mehr als ein Autokennzeichen, Florian, von dem wir nicht einmal hundertprozentig wissen, ob es das richtige ist.«
»Auf wen ist der Wagen zugelassen?«, wollte Schavan wissen.
»Es ist ein Mietwagen«, antwortete Wetzel.
Schavan veranlasste, dass sofort eine Fahndung herausgegeben wurde. »Nur beobachten, auf keinen Fall einen Zugriff wagen«, hörte Valerie ihn sagen, während sie bemerkte, wie Erics Augen schmal wurden. Natürlich hatten sie rein routinemäßig auch alle Mietwagenfirmen überprüft. Wie sich jedoch herausstellte, hatte Katja den Wagen einen Tag vor Benders Entführung auf falschen Namen angemietet. Sie musste über einen zweiten Ausweis und Führerschein verfügen. Eine zweite Identität.
Eine Regierungsmaschine stand bereit, um sie nach Stuttgart zu fliegen, von dort sollte es mit dem Hubschrauber weiter in das im Schwarzwald gelegene Städtchen gehen.
»Aber sie muss doch wissen, dass sie berechenbar wird, wenn sie ihre Ziele nach einem solchen Schema auswählt«, gab Valerie auf dem Weg zum Flughafen zu bedenken. »Das ergibt für mich keinen Sinn.« Sie saß mit Mayer im Fond des Wagens. Lars Günther, der neben dem Fahrer saß, wandte sich zu ihnen um. »Vergessen Sie nicht, dass wir es mit einer stark traumatisierten Person zu tun haben. Katja Rittmers Handeln ist ein Schrei nach Aufmerksamkeit, nach Beachtung. Ein typisches Symptom des Traumas. Sie will gefunden werden.« Er räusperte sich. »Und sie sucht den Tod.«
Valerie spürte Erics Anspannung bei diesen Worten, den Schmerz, den sie auslösten. Katja war eine langjährige Kameradin für ihn, nicht bloß eine kranke Attentäterin. Unauffällig tastete sie nach seiner Hand. Seine Finger erwiderten den leichten Druck, aber er vermied ihren Blick. Sie fragte sich, wo er in Gedanken war.
Die Maschine
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