Die Marionette
auf die ovale Pille in seiner Hand. »Sie werden nicht auf Ihre Forderungen eingehen. Sie tun es nie.« Er sah auf zu ihr. »Sie werden Sie zerstören.« Er nahm die Pille und spülte sie mit einem weiteren Schluck Wasser hinunter. »Sie sind nicht so skrupellos, wie Sie sich geben.«
»Es ist Krieg, Bender«, fuhr sie ihn an, »und im Krieg definieren sich Gut und Böse lediglich über die Seite, auf der man kämpft.« Sie trat einen Schritt zurück. »Steh auf!«
Er schwankte, als er endlich stand. Aber sein Blick hatte nichts von seiner Eindringlichkeit verloren. »Der Krieg ist nur in Ihrem Kopf, Katja.«
Sie hatte diese Worte schon einmal gehört. Aber es war nicht er gewesen, der sie geäußert hatte. Sie runzelte die Stirn. Warum ließ sie sich überhaupt auf eine Diskussion mit ihm ein? »Dreh dich um«, befahl sie und ließ die Handschellen um seine Handgelenke schnappen.
Der Krieg ist nur in Ihrem Kopf.
Wieder drohte ihr die Enge des Raums den Atem zu nehmen, wurde ihr übel. Sie griff nach ihrem Laptop, ihrer Jacke, stolperte beinahe. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Bender lächelte. Mit einer schnellen Bewegung drehte sie sich um und schlug zu. Blut spritzte aus seiner Nase.
***
Berlin, Deutschland
»Wir haben den zweiten Sprengsatz!« Die Nachricht ging um 7:08 Uhr wie ein Aufschrei durch das gesamte Lagezentrum. »Bonn, in der Nähe des Münsters.«
Die ehemalige Bundeshauptstadt Bonn war noch immer der Sitz des Verteidigungsministeriums auf der Hardthöhe. Unmittelbar nach dem Anschlag in Berlin hatten die Polizeibehörden im ganzen Land die Sicherheitsmaßnahmen an den neuralgischen Punkten verschärft. Ministerien und Behörden, Botschaften, Flughäfen und Bahnhöfe, aber auch Kasernen und Militäranlagen sowie nahe gelegene belebte Plätze und Ausflugsziele wurden besonders überwacht.
Eine Polizeistreife, die mit einem Spürhund unterwegs war, hatte das C4 gefunden, das Katja unter eine Bank in der Fußgängerzone geklebt hatte. Die Straße war sofort abgeriegelt worden; Sprengstoffexperten hatten die Bombe entfernt, bei der sich ein Kabel gelöst und so die Fernzündung verhindert hatte. Die Nachricht löste gleichzeitig Erleichterung und Entsetzen aus.
»Bei fehlerfreier Zündung hätten wir keine Chance gehabt, sie rechtzeitig zu finden«, bemerkte Jochen Schavan. »Wir verfügen weder über genügend Personal noch ausreichend technische Ausrüstung oder abgerichtete Hunde für einen landesweiten Großeinsatz von diesem Ausmaß.«
»Katja Rittmer ist uns zwölf Stunden voraus«, resümierte einer der Mitarbeiter des Verfassungsschutzes. »Wir können sie nicht einholen.« Es blieb ein Glücksspiel, ein Wettlauf gegen die Zeit.
Lars Günther, einer der beiden Psychologen, betrat zusammen mit Florian Wetzel den Raum. Alle Augen wandten sich den beiden Männern zu, die eine computerunterstützte Analyse zu Katjas nächstmöglichen Anschlagsorten durchgeführt hatten.
»Und?«, fragte Mayer, und Valerie hörte die Ungeduld in seiner Stimme.
»Die Auswertung hat fünf sehr wahrscheinliche Ziele ergeben«, sagte Günther, während er an die große Deutschlandkarte trat.
»Wenn wir nach dem Anschlag in Bonn davon ausgehen, dass Katja Rittmers Fokus tatsächlich weiter auf Einrichtungen der Bundeswehr liegt«, fügte Wetzel hinzu, bevor er sich auf einen der freien Plätze fallen ließ.
»Was wir mit ziemlicher Sicherheit annehmen dürfen«, bemerkte Günther und warf ihm einen irritierten Blick zu. Die angespannte Stimmung begann ihren Zoll zu fordern.
Der Psychologe wandte sich den anderen Anwesenden zu. »Wir haben die Heinrich-von-Tresckow-Kaserne in Geltow bei Potsdam als Sitz des Einsatzführungskommandos.« Er markierte den Ort auf der Karte. »Die Luftwaffenkaserne Wahn in Köln, das Ausbildungszentrum der Bundeswehr in Hammelburg in Unterfranken, die Kaserne in Seedorf in Niedersachsen, wo die Luftlandebrigade 31 stationiert ist, sowie den Sitz des KSK in der Graf-Zeppelin-Kaserne in Calw in Baden-Württemberg.«
Es waren alles Standorte, die direkt mit dem Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan zu tun hatten, wie Valerie gleich darauf erfuhr, während Günther auch die weiteren Orte, die sich über das gesamte Bundesgebiet verteilten, auf der großen Karte markierte.
Schavan und Mayer tauschten einen Blick. »Wir müssen uns vor allem um Köln-Wahn kümmern«, sagte Mayer. »Es ist ein Katzensprung von Bonn aus.« Wortlos stand Schavan auf, griff zum Telefonhörer und
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