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Die Marionette

Die Marionette

Titel: Die Marionette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berg
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überflog die beigefügte Kurzbiographie und runzelte die Stirn. Nachdenklich betrachtete er die Fotografie, dann griff er zum Telefon.
    Ungeduldig tippte er mit dem Finger auf die Schreibtischunterlage und wollte gerade wieder auflegen, als endlich jemand ranging. »Habe ich dich geweckt?«
    »Verdammt, Don, weißt du, wie spät es ist?«
    »So spät wie bei mir. Drei Uhr, oder?«
    »Schläfst du nie?«, fragte Mayer gähnend.
    »Mayer, ich habe etwas bekommen, worüber ich gern mit dir reden würde.«
    »Wo bist du?«
    »Sanaa, Jemen.«
    Ein langgezogener Seufzer war die Antwort am anderen Ende der Leitung. Martinez hörte ein Rascheln, wie wenn sich jemand im Bett aufsetzte. Das Klicken eines Lichtschalters. »Okay«, sagte Mayer. »Was willst du?«
    »Ihr habt ein Problem mit einer Frau, die auf Regierungsmitglieder schießt.«
    »Ja?«, entgegnete sein deutscher Freund zögernd.
    »Kenne ich sie, Mayer? Ich habe ein Foto von ihr, das …«
    »Somalia, Don«, unterbrach Mayer ihn.
    Martinez starrte erneut auf das Bild der blonden Soldatin. Somalia. Irgendwo auf seiner Festplatte schaltete eine Verbindung, beförderte eine Erinnerung ins Licht. »Oh«, entfuhr es ihm. »
Sie
ist das. Was ist mit ihr passiert?«
    »Kriegstrauma«, war Mayers einsilbige Antwort.
    »Warum läuft sie Amok?«
    »Warum willst du das wissen?«
    Diesmal war es Martinez, der seufzte. »Es ist etwas, worüber ich am Telefon nicht sprechen möchte«, sagte er.
    Schweigen am anderen Ende der Leitung.
    »Okay, es gibt ein paar Leute in der Agency, die es gern sehen würden, wenn ich nach Deutschland komme und helfe, euer entlaufenes Schäfchen einzufangen.«
    »Keine so schlechte Idee«, entgegnete Mayer zu seiner Überraschung. »Wir könnten dich hier tatsächlich brauchen, Don.«
    Martinez lehnte sich auf seinem Bürosessel zurück und legte die Füße auf den Tisch. »Gib mir ein paar Details.«
    »Sie hat heute einen alten Gasthof in die Luft gesprengt. Ferngezündet über ein Handy.«
    »Tote oder Verletzte?«
    »Zum Glück nicht. Das Gebäude stand leer und lag außerhalb der Ortschaft.«
    »Eine Warnung also. Was will sie?«
    »Die Verantwortlichen hinter den Waffengeschäften mit den Taliban.«
    »Und womit droht sie?«
    »Weitere Sprengstoffattentate.«
    Martinez sah die Frau plötzlich vor sich in ihrem graubraunen Kampfanzug, kurzes hellblondes Haar unter dem Helm, Sonnenbrille und immer eine Zigarette im Mundwinkel. Die erste deutsche Elitekämpferin, der er begegnet war. Sie hatte Mut gehabt. Mehr als mancher von den Jungs. Aber es war auch etwas Unberechenbares um sie gewesen. Dieses leicht Irre, das manche von denen besaßen, die schon zu lange dabei waren. Jene, die nur noch unter Feuer funktionierten. Sie hatte damals ziemlich viel getrunken, und eines Tages hatte sie die Kontrolle verloren. Sie war das gewesen. Er sah wieder das Dorf vor sich. Den Marktplatz mit den staubigen orangefarbenen Schirmen, hörte das Rattern der Maschinenpistole, während die Patronenhülsen sich lautlos in den Dreck gruben. Er hatte lange gebraucht, die Schreie zu vergessen, den Anblick der sich windenden Körper.
Goddamned,
es waren Kinder gewesen.
    »Mayer, ich weiß nicht, wie schnell ich hier wegkomme.«
    ***
    Hamburg, Deutschland
    Kaffeegeruch.
    Katja schlug die Augen auf. Sibylle stand in der Tür mit einem Becher in der Hand. »Sie haben fast zwölf Stunden geschlafen«, sagte die zarte blonde Frau. Sie ging zum Fenster, zog die Vorhänge auf und öffnete einen der hohen Flügel. Helles Sonnenlicht strömte in den Raum, begleitet von Vogelgezwitscher und dem entfernten Rauschen des Straßenverkehrs. Katja richtete sich im Bett auf und nahm von Sibylle den Kaffeebecher entgegen, den diese ihr reichte. »Wie spät ist es?«
    »Gleich zwei Uhr nachmittags.«
    Katja unterdrückte die Regung, aufzuspringen.
    »Es ist alles in Ordnung«, sagte Sibylle, die ihr Zucken wohl bemerkt hatte. »Niemand weiß, dass Sie hier sind. Niemand vermutet Sie ausgerechnet hier. Ich habe eine Spezialfirma beauftragt, das Haus nach Wanzen und Abhörgeräten zu untersuchen. Sonst hätten wir nicht so offen miteinander sprechen können.«
    Behutsam setzte sich Sibylle auf die Bettkante. Durch ihr dünnes Kleid hindurch konnte Katja die Bewegung ihres Bauches sehen. »Tobt er wieder?«, fragte sie.
    Sibylle lächelte. »Sie sind sich nach wie vor ganz sicher, dass es ein
Er
ist.«
    Katja nickte und nahm einen Schluck Kaffee.
    Sie hatte geschlafen. Beinahe einmal

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