Die Marionette
nicht möglich sein. Wir haben bereits Kontakt zum Hersteller der Software aufgenommen.«
»Und?«
»Es scheint tatsächlich einen Fehler, ein Leck in der Software zu geben. Der Hersteller arbeitet bereits an einem entsprechenden Update, das wir dieser Tage erhalten sollen.«
Bender fragte sich, wie Softwarefirmen, selbst die großen, renommierten Unternehmen, mit denen sie zusammenarbeiteten, immer wieder Produkte ausliefern konnten, die nicht ausgereift waren. »Geben Sie den Fall unverzüglich in die Rechtsabteilung«, befahl er. »Können Sie nachvollziehen, auf welche Bereiche die Täter Zugriff hatten?«
Es war nicht das erste Mal, dass sie mit Betriebsspionage zu kämpfen hatten. Erst vor knapp einem Jahr, als sie gerade die Entwicklung eines neuen Waffensystems abgeschlossen hatten, hatte eine Gruppe von Wirtschaftskriminellen versucht, in das System einzudringen. Es war eine von langer Hand geplante Aktion gewesen. Einer der Männer hatte gezielt eine Beziehung zu einer Angestellten aus dem Vertrieb aufgebaut, den Laptop der Frau manipuliert und war so in den Besitz der hochsensiblen Daten gekommen.
»Sie haben Spuren hinterlassen«, versicherte ihm der Leiter der EDV -Abteilung. Er räusperte sich. »Es scheint diesmal jedoch keine Wirtschaftsspionage zu sein. Der Zugriff beschränkt sich auf Ihre persönliche Kommunikation.«
Eine Welle der Übelkeit rauschte durch Bender, und ein ungutes Gefühl der Nacktheit bemächtigte sich seiner. »Ich danke Ihnen für die Information«, beendete er das Gespräch, wobei er sich zu einem ruhigen, gefassten Ton zwang. Er war plötzlich froh, allein in seinem Hotelzimmer zu sein. Hilflos starrte er auf seinen gepackten Koffer, seinen Blackberry noch immer in der Hand. Der Einbruch in das Firmennetzwerk hatte nicht den Larenz-Werken gegolten, sondern seiner Person. Wer steckte dahinter? Die Geheimdienste? Es klopfte an seiner Tür, und ein Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes streckte gleich darauf den Kopf herein. »Sind Sie so weit? Wir müssen zum Flughafen aufbrechen.«
»Ja, natürlich«, erwiderte Bender und beobachtete, wie der Mann nach seinem Gepäck griff. Draußen schloss sich ihnen ein weiterer Mitarbeiter an. Die Sicherheit, die ihre Gegenwart ihm bislang vermittelt hatte, schien mit einem Mal trügerisch. Es gab Angriffe, vor denen konnten sie ihn nicht schützen.
Auf dem Weg zum Flughafen rief Bender seine Assistentin an und tat etwas, was er seit Jahren nicht gemacht hatte: Er bat sie, alle Termine für den Nachmittag abzusagen.
In Hamburg angekommen, ließ er sich direkt vom Flughafen nach Hause fahren. Juliane war überrascht, als er unangemeldet in der Tür stand, reagierte beinahe irritiert. Sie war nicht allein. Schwerfällig erhob sich Sibylle Vieth von ihrem Sessel.
»Sibylle, bitte, bleib sitzen«, begrüßte er sie. Sie sah müde aus, angestrengt. Was wollte sie hier? Sie und Juliane hatten über die gesellschaftlichen Verpflichtungen hinaus nie einen engeren Kontakt gepflegt.
»Guten Tag, Gerwin«, erwiderte sie. »Ich wollte sowieso gerade gehen.« Ihr Tonfall war kühl.
»Ich bringe Sibylle zur Tür«, sagte Juliane.
Er blieb allein im Wintergarten zurück. Die großen Flügeltüren auf die zur Alster hin abfallende Rasenfläche waren geöffnet. Er blickte auf die alten Bäume, die das Grundstück säumten, über die sorgfältig angelegten Blumenbeete, in denen die ersten Rosen gerade ihre Blüten öffneten. Gerwin Bender erinnerte sich an den Tag, an dem er dieses Haus aus der Konkursmasse eines Unternehmers gekauft hatte. Es war ein Renditeobjekt gewesen, aber Juliane hatte sich sofort in den Garten verliebt, die üppige Rosenpracht.
Sie trat neben ihn, tastete nach seiner Hand. »Ich habe dich nicht so früh erwartet«, sagte sie. »Ich bin froh, dass du zurück bist.«
»Ich bin müde«, gestand er. »Was wollte Sibylle Vieth hier?«
»Nichts weiter. Wir haben uns zufällig im Alster-Einkaufszentrum getroffen, und ich habe sie zum Kaffee eingeladen.« Sie begann, die Tassen auf ein Tablett zu räumen.
Bender sah seiner Frau nachdenklich dabei zu. »Wie geht es ihr?«
Juliane zuckte mit den Schultern. »Ich glaube, sie ist zu viel allein, seit Milan gestorben ist.« Sie sah auf. »Möchtest du auch einen Kaffee?«
»Nein, danke. Wann müssen wir heute Abend los?«
»Die Veranstaltung beginnt wie immer um zwanzig Uhr. Ich habe uns einen Tisch reservieren lassen.«
Eine Spur zu geschäftig räumte sie weiter das Geschirr
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