Die Marionette
sich hinter ihr eine Autotür? Sie blieb nicht stehen, sah sich nicht um. Waren da Schritte? Weiter, Katja. Unter dem Vordach wagte sie endlich einen Blick. Niemand war ihr gefolgt. Hastig drückte sie die Klingel, ein leises Summen hallte durch das Haus. Ungeduldig wartete sie, den Finger noch auf dem Klingelknopf. Endlich ging Licht an im Flur. Gleich darauf öffnete sich die Tür einen Spalt, gesichert durch eine Kette.
Sibylle Vieths Gesicht war so blass wie Porzellan, durchscheinend beinahe. Ihre schmale Hand umklammerte die Türkette. »Katja …!«
Wusste sie etwas?
»Hallo, Sibylle«, stieß Katja hervor. Die Worte waren widerspenstig, bewegten sich nur schwerfällig aus ihrem Mund heraus. Sie zwang sich zu einem Lächeln.
Eine Sekunde verging, die sich anfühlte wie eine Ewigkeit. Durch das Prasseln des Regens versuchte Katja zu hören, ob sich hinter ihr etwas bewegte, ohne dabei den Blick von Sibylle zu nehmen. Langsam, viel zu langsam lösten sich Sibylles Finger von der Kette. Sie schob die Tür kurz zu, Katja hörte, wie Metall auf Metall schabte, dann öffnete Sibylle, und Katja stand im Licht, das aus dem Flur hinausfiel.
»Sie sind ja ganz nass«, bemerkte Sibylle. »Kommen Sie schnell rein.«
Katja atmete auf, als sich die Tür hinter ihr schloss. Sie spürte die Wärme, die sie umhüllte, und starrte auf Sibylles gewölbten Bauch, der sich unter dem weiten dunklen Kleid deutlich abzeichnete. »Wie geht es dem Baby?«, fragte sie und war erstaunt über sich selbst.
»Gut«, sagte Sibylle mit einem Lächeln und legte eine Hand auf die Wölbung. »Erstaunlich gut.« Sie sah Katja prüfend an. »Aber Ihnen geht es nicht gut.«
»Nein«, gestand Katja und zog vorsichtig den Revolver aus ihrem Hosenbund. »Deswegen bin ich hier.«
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25. Mai
Hamburg, Deutschland
E ine Menge Gedanken gingen Valerie durch den Kopf, als sie das moderne gläserne Firmengebäude der Larenz-Werke im Hamburger Hafen betrat und einer der Empfangsdamen ihre Karte reichte. »Ich bin mit Herrn Vombrook verabredet.«
Die junge Frau lächelte. »Guten Morgen, Frau Weymann. Herr Vombrook hat bereits angerufen und bittet Sie, gleich raufzukommen.« Sie reichte ihr einen Besucherausweis über den Empfangstresen.
Augenblicke später trat Valerie in der Vorstandsetage aus dem Fahrstuhl. Andreas’ Sekretärin nickte ihr zu. »Herr Vombrook erwartet Sie bereits.«
»Wie ich höre, wart ihr erfolgreich in Berlin«, begrüßte der Justiziar der Firma sie. Er bot ihr einen Kaffee an.
»Ist Bender schon wieder zurück?«, fragte Valerie und setzte sich ihm gegenüber.
Vombrook verneinte. »Er dürfte noch immer alle Hände voll zu tun haben, um die Wogen zu glätten. Er hat mich gebeten, die Geschäfte vorerst zu führen.« Sein Tonfall war ruhig, wie immer, seine Haltung die eines Mannes, der sich seiner Pflicht bewusst war und sie erfüllte. Mit einem Lächeln stellte er die Tasse vor ihr ab. Milan Vieths Tod hatte Andreas Vombrook in der Hierarchie des Konzerns in die Position des stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden gerückt. Valerie fragte sich unwillkürlich, inwieweit die aktuellen Ereignisse ihm in seiner Situation zuspielten. Als er sie vor zwei Tagen angerufen und ihr Benders Kontakt ins Wirtschaftsministerium verraten hatte, hatte sie die Information dankbar entgegengenommen, ohne weiter darüber nachzudenken, warum Vombrook sein Wissen gerade zu diesem Zeitpunkt preisgab. Inzwischen war sie sich fast sicher, dass er weitaus besser im Bilde war, als sie bislang angenommen hatte. Seine nächsten Worte bestätigten ihre Vermutung. »Bender und Meisenberg verbindet eine langjährige Freundschaft«, bemerkte er. »Und wie es scheint, noch ein wenig mehr.«
Sie wusste, dass Vombrook auf die Parallelen der Larenz-Krise zu dem Skandal der HSH Nordbank im vergangenen Jahr anspielte. Vorstandskollegen und Mitarbeiter hatten sich über Nacht schweren Beschuldigungen gegenübergesehen bis hin zum angeblichen Besitz kinderpornographischer Inhalte.
»Worauf willst du hinaus, Andreas?«, fragte sie geradeheraus. Ihre Stimme hatte einen leicht scharfen Unterton. Vombrook horchte auf, ließ sich aber nichts anmerken, als er ihr antwortete. »Ich wollte von dir wissen, wie loyal du Kurt Meisenberg gegenüber bist.«
Valerie stellte ihre Kaffeetasse ab. »Das ist eine sehr persönliche Frage.«
»Es kommt darauf an, wie man sie auslegt«, entgegnete Vombrook.
Valerie lächelte. »Sprach der Jurist zur
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