Die Marionette
Vorstandsmitglieder?«
»Vieth ist noch in Zürich und Thordsen in Ankara. Frau Claus hat sie bereits informiert. Die anderen vier müssten gleich hier sein.«
Vombrook sah angestrengt aus dem Fenster. »Wir müssen damit rechnen, dass die Staatsanwaltschaft und das LKA jeden Moment hier auftauchen. Weißt du, wen sie aus Berlin herschicken?«
Bender schüttelte den Kopf. »Können wir irgendetwas tun?«
»Ich fürchte nicht. Wir haben nicht den geringsten Anhaltspunkt«, erwiderte Vombrook und ließ sich in einen der wuchtigen Sessel vor Benders Schreibtisch fallen. Er stützte den Kopf in die Hände. »Es gibt vielleicht eine Möglichkeit«, sagte er schließlich. »Hol Kurt Meisenberg ins Boot.«
Bender stand auf. »Das können wir nicht machen. Er ist im Aufsichtsrat und einer meiner engsten Freunde.«
»Darauf kannst du jetzt keine Rücksicht nehmen.«
***
Hamburg, Deutschland
Valerie Weymann war auf dem Weg in die Kanzlei, als der Anruf ihres Seniorpartners sie erreichte. »Valerie, ich fahre gerade zu den Larenz-Werken. Ich brauche dich dort. Komm bitte sofort.«
Meisenberg klang aufgeregt. Außer Atem. Das war mehr als ungewöhnlich. »Kurt, ist alles in Ordnung?«
»Ja, natürlich«, erwiderte er ungeduldig. »Du hast mir keine Antwort gegeben.«
»Ich habe um elf ein Gespräch mit Mandanten …«
»Sag es ab.«
Valerie starrte auf ihr Telefon und begriff, dass es sich entgegen Meisenbergs Versicherung um einen Notfall handeln musste, unter normalen Umständen würde er niemals einen Termin stornieren.
»In Ordnung«, erwiderte sie gedehnt. Sie gab die Adresse in ihr Navigationssystem ein. »In zwanzig Minuten bin ich da«, erklärte sie dann. »Wo finde ich dich?«
»Im Büro des Vorstandsvorsitzenden.«
Meisenberg beendete die Verbindung ohne ein weiteres Wort.
Die Larenz-Werke waren eines der ältesten Industrieunternehmen der Hansestadt, doch das Firmengebäude, auf das Valerie zufuhr, war neu. Einer dieser modernen Glaspaläste direkt am Wasser. Die danebenliegenden Docks, in denen gearbeitet wurde, waren durch große Aufbauten vor neugierigen Blicken geschützt. Sie meinte sich zu erinnern, dass der Konzern vor kurzem einen nicht unerheblichen Auftrag über den Bau von U-Booten für die türkische Marine erhalten hatte. Vor einigen Jahren hatte es einen heftigen Kampf innerhalb der Hamburger Bürgerschaft gegeben, weil der Sitz der Firmenzentrale nach München verlegt werden sollte, wo der größte deutsche Produktionsstandort für die Rüstungsgüter des Konzerns lag, die nicht maritim ausgerichtet waren. Im Gegenzug hatte der Hamburger Senat den Larenz-Werken Zugeständnisse für den Standort Hamburg gemacht, die insbesondere die Grünen im Nachhinein viele Wählerstimmen gekostet hatten. Die deutsche Wirtschaft aber besaß eine neue Galionsfigur und kürte Gerwin Bender zum Manager des Jahres. Valerie kannte ihn flüchtig. Meisenberg hatte sie einander vor zwei Jahren auf dem Juristenball im Hotel Atlantic vorgestellt.
Als sie kurz darauf sein Büro betrat, kam Bender mit ausgestreckten Händen auf sie zu. Im Gegensatz zu Meisenberg sah man ihm nicht an, dass er bereits über sechzig war. Groß, schlank und von ausgesprochener Vitalität entsprach er perfekt dem Klischee des erfolgreichen Wirtschaftsmannes. »Frau Weymann«, begrüßte er sie mit einem offenen Lächeln. »Ich freue mich, Sie zu sehen.«
Er stellte sie den übrigen Vorstandsmitgliedern vor. Andreas Vombrook war der Einzige, den sie persönlich kannte. Er saß mit Meisenberg zusammen und stand wie alle anderen kurz auf, um ihr die Hand zu schütteln. »Valerie, schön, dass du da bist.«
Sie nickte zurückhaltend. »Worum geht es?«
»Um den Vorwurf des illegalen Waffenhandels und die mögliche Verletzung von Embargos. Bei den jüngsten Anschlägen in Afghanistan sind deutsche Soldaten mit Waffen aus unserem Haus getötet worden.«
Vombrooks sachlicher Zusammenfassung folgte eine unangenehme, lähmende Stille. Alle starrten vor sich hin. Natürlich wussten die anwesenden Vorstandsmitglieder längst, worum es ging, aber es war, als ob die knappen Worte des Justiziars es ihnen noch einmal in aller Deutlichkeit vor Augen führten.
»Das ist eine schwere Anschuldigung«, sagte Valerie, während sie am Konferenztisch Platz nahm. Ihre leise Stimme schien in der Stille zu dröhnen. »Wissen Sie schon …«
»Wir tappen völlig im Dunkeln«, fiel Vombrook ihr ins Wort, der ahnte, worauf sie hinauswollte. »Aber
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