Die Marionette
Sie haben das nötige diplomatische Geschick für die Gespräche mit den Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern sowie für die Organisation und Leitung der Untersuchung gegen die Larenz-Werke. Stellen Sie sich ein Team zusammen.«
Mayer räusperte sich. »Ich war darauf eingestellt, umgehend wieder nach Kabul zu fliegen. Die Ermittlungen dort …«
»Können auch von Ihren Mitarbeitern fortgeführt werden«, unterbrach ihn der Minister. »Wir brauchen Sie hier. Ich habe mit Ihrem Vorgesetzten gesprochen, er befürwortet diese Strategie.« Er wandte sich ab.
»Wann ist das entschieden worden?«, wollte Mayer wissen, der das Gespräch noch nicht als beendet ansah. Er schätzte es nicht, ohne sein Wissen hin- und hergeschoben zu werden wie eine Schachfigur.
Der Minister blieb stehen. »Heute Nacht«, erwiderte er, irritiert von Mayers Hartnäckigkeit. »Sie waren schon in der Luft, deswegen konnten wir Sie nicht mehr über die geänderten Pläne informieren.«
»Ist die Staatsanwaltschaft Hamburg in Kenntnis gesetzt worden?«
»Die Hamburger warten nur auf unseren Anruf, um die Beamten des LKA rauszuschicken. Der gerichtliche Beschluss liegt bereits vor.«
»Das heißt, sie sind noch nicht vor Ort?«, entfuhr es Mayer.
Der Minister strich sich in einer fahrigen Geste, die mehr als alles andere seine Anspannung verriet, über das angegraute Haar. »Wir halten uns auf speziellen Wunsch des Kanzleramtes noch zurück«, erklärte er.
Mayer wusste, dass es sinnlos war, diese Entscheidung in Frage zu stellen. Gerwin Bender, der Vorstandsvorsitzende der Larenz-Werke, hatte beste Verbindungen in die höchsten Kreise der Politik. Jetzt zahlten sie sich anscheinend für ihn aus.
Ein vertrautes Gesicht erwartete Mayer auf dem Hamburger Flughafen, als er knapp zwei Stunden später dort eintraf. »Hi, Chef«, begrüßte Florian Wetzel ihn mit einem breiten Grinsen. Wie immer schlotterte eine viel zu weite Jeans um seine dünnen Beine, die Hände hatte er in die Taschen eines schwarzen Kapuzenshirts geschoben. »Trotz der widrigen Umstände freue ich mich, Sie zu sehen.« Das Grinsen wurde noch breiter. »Wenn ich das so sagen darf.«
»Ich freue mich auch, Florian. Seit wann sind Sie hier?«
»Ich hab heute Morgen einen der ersten Flüge von München nach Hamburg genommen.« Vertrauter Schalk blitzte in Wetzels Augen unter seinem wirren Haarschopf auf. »Und seither weder Kosten noch Mühen gescheut, um Ihre Ankunft vorzubereiten.« Mayer schüttelte lächelnd den Kopf. Sein jüngerer Kollege hatte sich in den letzten anderthalb Jahren nicht verändert.
»Termine?«, fragte Mayer.
»Wir werden bei der Staatsanwaltschaft Hamburg erwartet. Wir fahren direkt hin.«
***
Hamburg, Deutschland
Gerwin Bender legte den Telefonhörer auf. Lange, sehr lange saß er reglos auf seinem Lederstuhl und starrte vor sich hin. Die Stimme seines Anrufers klang ihm noch im Ohr. »Es knallt. Es knallt gewaltig. Die Ministerien haben einen Krisenstab gebildet, und die Minister tagen bereits seit zwei Stunden hinter verschlossenen Türen. Die Kanzlerin ist vor zwanzig Minuten dazugekommen. Sie hat ihren Staatsbesuch in Paris abgebrochen.«
Sie würden eine Untersuchung einleiten. Es war bereits jemand unterwegs von Berlin nach Hamburg. Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und schloss die Augen. Durch das geöffnete Fenster drangen vom Werftgelände Geräusche herein: das Flexen von Metall, das Kreischen der Sägen, das monotone Schlagen auf Bolzen.
Für einen Moment war er versucht, alles hinzuschmeißen, des Kämpfens müde, aber Gerwin Bender hatte noch nie in seinem Leben aufgegeben. Widerstände waren da, um an ihnen zu wachsen. Auf diese Weise hatte er die Larenz-Werke in den vergangenen zehn Jahren zu einem der führenden Unternehmen nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa gemacht.
Das erneute Klingeln des Telefons im Vorzimmer schreckte Bender aus seinen Gedanken. Kurzerhand griff er selbst zum Telefon. Der Justiziar des Unternehmens war ebenfalls längst im Büro. »Andreas, wir haben ein Problem.«
Keine zwei Minuten später stand Andreas Vombrook ihm gegenüber, ein Mann Anfang vierzig, mit leichtem Bauchansatz und bereits lichter werdendem Haar, der seit nunmehr fünf Jahren dabei war und eine glänzende Reputation in der Branche besaß. »Wenn sich herausstellt, dass an der Sache wirklich etwas dran ist, dann bricht uns das das Genick«, sagte Vombrook. »Wo sind die übrigen
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