Die Marketenderin
und er freute sich, daß auch Clärle nicht an eine Rückkehr ins Schwabenland dachte. Er bat sie, die Nacht mit ihm im Haus zu verbringen und war enttäuscht, als sie den Kopf schüttelte. Sie müsse zurück zu ihrer Herrin, die ihre Anwesenheit am frühen Morgen verlange.
»Jetzt bist du selbst Herrin«, erklärte Georg, nahm Clärle bei der Hand und führte sie in ein sehr weiblich eingerichtetes Schlafzimmer. Hier hatte er sich in den vergangenen Tagen mit jenen Frauen vergnügt, die für ein Stück Pökelfleisch alles mit sich machen ließen.
»Das ist jetzt dein Reich.« Er öffnete eine Tür. »Hier hängen deine Kleider und in dieser Schatulle befindet sich dein Schmuck. Geh nicht mehr zurück zu dieser häßlichen alten Französin. Bleib hier bei mir und hüte das Haus, wenn ich arbeite. Ich will nicht, daß meine Frau fremde Menschen bedient. Sie soll selbst bedient werden.«
Clärle pries Napoleon, der ihr solche Zukunftsaussichten eröffnet hatte und stellte sich vor, in diesem Haus das Kommando zu führen. Wie dumm sie doch damals in Öhringen gewesen war! Sogar zum Desertieren hatte sie Georg bewegen wollen! Aber Georg war so klug. Er hatte damals schon geahnt, daß ihm dieser Feldzug Glück bringen würde. Doch selbst er hatte sicher nicht zu hoffen gewagt, daß ihm ein solcher Reichtum in den Schoß fallen würde. Ebensowenig wie sie geahnt hatte, daß hohe Offiziere zu ihr so freundlich sein würden.
Ihr fiel etwas ein und sie bewegte sich wieder langsam vom Bett weg, auf das sie sich hatte setzen wollen.
»Natürlich werde ich Diener einstellen«, hörte sie Mössner hastig sagen. Ihm war aufgefallen, daß sich ihr Gesichtsausdruck verändert hatte, ihr etwas durch den Kopf ging. Sie wird sich doch nicht zieren und plötzlich hier im Schlafzimmer die feine Dame spielen wollen, dachte er betroffen. Dafür habe ich sie nicht mitgenommen.
»Bring mich zurück zum Kreml«, forderte sie. »Ich werde bis zu unserer Hochzeit bei meiner Herrin bleiben. Wenn ich ein neues Leben anfange, dann richtig, so wie es sich gehört.«
In Wirklichkeit war sie sich auf einmal gar nicht so sicher, ob sie Georg wirklich heiraten wollte. Wenn schon ein einfacher Soldat so ein prächtiges Haus ergattert hatte, wie wohnten dann erst die Offiziere? Wahrscheinlich alle in so einem Palast, wie ihn Johannes Gerter zur Verfügung hatte. Es wäre dumm, sich an Mössner zu binden, wenn sie etwas viel Besseres haben konnte – und sie war ja morgen zu einem Ball eingeladen, bei dem sich die Offiziere um sie reißen würden.
Georg sah zu, wie sie den Kleiderschrank noch einmal öffnete, einige Roben herausnahm, aufs Bett legte und sich schließlich für ein tief ausgeschnittenes Kleid in Rot entschied. Der Stoff war sehr dünn und würde die Vorzüge ihrer Figur zur Geltung bringen. Niemand würde sie darin übersehen, dachte sie befriedigt, legte sich das Kleid über den Arm und eilte zur Tür. Mössner, der plötzlich ahnte, was in ihr vorging, sprang mit einem Satz auf sie zu und packte sie hart am Arm.
»O nein«, keuchte er. »So haben wir nicht gewettet. Du gehörst mir.« Er schleuderte das rote Kleid zu Boden, schob Clärle vor sich her, warf sie aufs Bett, riß ihr die Kleidung vom Leib und drang in sie ein, ohne sich um ihre Schreie zu kümmern.
Am nächsten Abend sah Juliane Clärle wieder. Nachdem sie sich an der Tür aus ihrem viel zu weiten Pelzmantel hatte helfen lassen, rauschte sie am Arm von Georg Mössner juwelenbehängt und in einem beinahe unzüchtig zu nennenden roten Kleid in den Ballsaal. Sie ließ sich von Juliane ein Glas Wein geben und hauchte ihr zu: »Und du wolltest mich Ziegen melken lassen!«
Dabei hätte sie sich bestimmt geschickter angestellt als beim Tanzen, dachte Juliane schadenfroh, als sie sah, wie Clärle einem ausländischen Major auf die Füße trat. Dem Mädchen, das sich so auf den Ball gefreut hatte, ging auf, daß gehobene Klassen anders tanzten als Mägde und Knechte beim Dorffest in Öhringen. Sie täuschte schnell eine Fußverletzung vor, um sich nicht weiter peinlichen Fehlern aussetzen zu müssen und ließ ihren Blick auf der Suche nach Georg durch den Saal schweifen. Als sie ihn mit einigen litauischen und holländischen Offizieren in einer Ecke diskutieren sah, beschloß sie, ihn nicht zu stören und wandte sich wieder dem Major zu, den sie auf den Fuß getreten hatte.
Er schlug ihr vor, sich im Speisesaal auf einen Stuhl zu setzen, um ihren Fuß zu schonen, nahm
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