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Die Marketenderin

Die Marketenderin

Titel: Die Marketenderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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ihren Arm und wanderte mit ihr durch die Flügeltür in den noch menschenleeren Nebenraum. Er sei Italiener, sagte er zu ihr in gebrochenem Deutsch, und sie wisse doch, daß Italiener besonders heißes Blut hätten. Ehe sie sich versah, drückte er sie gegen eine Säule im Speisesaal, fuhr ihr mit der einen Hand in den tiefen Ausschnitt, mit der anderen zwischen die Beine und drückte ihr einen Kuß auf die Lippen. Wild blickte Clärle um sich. Erleichtert, daß niemand Zeuge des Vorfalls war, stieß sie dem Major das Knie in den Unterleib. Er schrie und gab ihr eine so heftige Ohrfeige, daß sie auf den Marmorboden stürzte. Ohne ihr einen weiteren Blick zu gönnen, stapfte er in seiner Sprache fluchend davon. Clärle setzte sich langsam auf. Eine Hand an die brennende Wange gepreßt, lehnte sie sich gegen die Säule. Behandelte man so eine Dame? Mühsam griff sie nach einer Efeuranke und zog sich an der Säule hoch.
    Georg war höchst überrascht, als Clärle im viel zu weiten Pelzmantel auf ihn zueilte und ihn zum augenblicklichen Verlassen des Festes aufforderte.
    Marschall Ney hatte Napoleon nicht davon überzeugen können, die Stadt so schnell wie möglich zu räumen. Da der Kaiser fürchtete, die Unruhe unter den Offizieren würde sich auf die Soldaten übertragen, griff er zu einem Mittel, das bisher noch nie seine Wirkung verfehlt hatte. Er würde sich den Soldaten persönlich zeigen, Auszeichnungen, Beförderungen und Belohnungen verteilen und sie damit beruhigen.
    Er setzte die Musterung des 3. Armeekorps für den Morgen des 18. Oktober an.
    An jenem Sonntag schob Juliane im Palast einen Stuhl an das Dachfenster, von dem aus man den Kreml am besten überblicken konnte. Auch sie konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, den die wohlgeordneten Truppen auf sie machten, als sie durch die vielen Tore in den Kreml marschierten.
    Sie wußte, daß die Große Armee des Welteroberers inzwischen auf weniger als ein Drittel ihrer ursprünglichen Stärke geschrumpft war, aber angesichts der vielen tausend Soldaten konnte man nicht von einem kümmerlichen Rest sprechen, dachte sie. Nichts erinnerte mehr an die abgerissene, traurige Truppe, die in Moskau einmarschiert war, und sie schöpfte wieder etwas Hoffnung. Trotzdem war sie froh, daß sie seit zwei Wochen einen mit Lebensmitteln beladenen Wagen im Kutschhaus stehen hatte. Für alle Fälle, falls wir ganz schnell wegmüssen, hatte sie Johannes erklärt, als er darüber staunte, daß sie mehr im Wagen hortete als im Laden verkaufte.
    Sie hatte das Geschäft vor einer Woche endgültig geschlossen. Selbst Felix war es nicht mehr gelungen, Getreide aufzutreiben, Olga und Fjodr hatten kein Gemüse mehr und die wenigen frischen Nahrungsmittel, die in die Stadt kamen, kosteten mehr, als sie von ihren Kunden verlangen konnte. Sollte die Truppe demnächst wieder marschieren, würde sie von den Soldaten unterwegs mindestens das Doppelte erhalten und dann konnte sie als wohlhabende Frau nach Stuttgart zurückkehren. Im Geiste malte sie sich ihre Zukunft aus, beschloß, daß sie nach diesem Krieg ihren Beruf aufgeben und Matthäus eine gute Frau sein würde. Er wünschte sich Kinder und auch sie konnte sich jetzt vorstellen, als Ehefrau und Mutter in Weiler zum Stein zu leben. Sie horchte in sich hinein, spürte immer noch kein Ziehen im Unterleib. Die Kräuter helfen nicht immer, erinnerte sie sich an einen Spruch ihrer Mutter. Manchmal ist eine neue Seele stärker, drängt darauf, geboren zu werden. Es ist so viel Liebe in mir, dachte sie, ich muß sie nur besser verteilen.
    Johannes Gerter würde keinen Platz mehr in ihrem Herzen haben, wenn sie erst ein Kind hatte, das sie mit Liebe überschütten könnte. Ach Johannes, küß mich noch einmal, ein einziges letztes Mal, dachte sie verzweifelt, sah hinüber zu dem wogenden Uniformfeld und fragte sich, wo Johannes stand.
    Der stand zu diesem Zeitpunkt nicht weit von General von Scheeler, der sich besonderer kaiserlicher Gnade erfreute. Napoleon hob noch einmal hervor, wie tapfer sich vor allem die Württemberger während des Feldzugs geschlagen hatten und erhob den General in den Reichsgrafenstand. Gerter hörte, wie von Scheeler auf Napoleons Frage nach seinen weltlichen Gütern beinahe treuherzig antwortete, sein Reichtum bestehe aus seiner Frau und sieben Kindern. Napoleon lachte und bewilligte dem General auf der Stelle auch noch eine Jahresrente von 20.000 Franken.
    Der Kaiser sieht gelöst aus, dachte Gerter, keinesfalls

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