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Die Marketenderin

Die Marketenderin

Titel: Die Marketenderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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bekleidet und durfte bei der Arbeit nicht im Weg sein, war keines weiteren Gedankens wert gewesen. Die Uniform aber verlieh ihm Macht, Ansehen und erlegte ihm Verpflichtungen auf. Er hatte lange darüber nachgedacht, wie sich das am besten ausdrücken ließe. »Die Uniform bekleidet auch meine Seele«, sagte er zu Ziegler, der das ziemlich unverständlich fand.
    »Für mich ist die Uniform ein Zeichen der Freiheit«, erwiderte er. »Man verschwindet in der Masse der Uniformen und als einer von vielen falle ich nicht auf, bin fast unsichtbar. Das gefällt mir. Zu Hause schaut der Schwiegervater immer mal nach, was ich gerade tue oder ob ich nichts tue. Bei der Armee tun wir alle das gleiche und kriegen manchmal sogar den Befehl, nichts zu tun. In der Uniform sind wir alle gleich und verwechselbar. Das gibt mir Freiheit und meiner Seele auch. Die werde ich bekleiden«, und da lachte er etwas höhnisch, denn er fand Mössners Formulierung gar zu köstlich, »wenn mir endlich die Weinberge gehören«.
    Mössner konnte da nicht mitreden. Er wußte nicht, wer Ziegler gewesen war, bevor die schöne Frau und die schönen Weinberge ihm bestimmte Zukunftsaussichten eröffnet hatten. Er wußte nur, daß Clärle auf ihn, Georg Mössner, aufmerksam geworden war, weil er Uniform trug und wer weiß, vielleicht hatte sie sich sogar in das Tuch verliebt. Aber an Clärle wollte er nicht mehr denken, nicht daran, daß er sie mal angefleht hatte, bloß nicht mit Buttermilch die niedlichen Sommersprossen zu vertreiben.
    Nur noch selten erlaubte sich Mössner die Schwäche, an zu Hause zu denken und er begrüßte jeden Schritt, der ihn von der Heimat weiter entfernte. Hatte der Wirt vom ›Wilden Eber‹ seine Schulden bei der Mutter eingefordert? Wie gut, daß er sich ihre Vorwürfe nicht anhören mußte, wie gut, daß ihn die Soldaten geholt hatten! Er dachte nicht mehr mit Schaudern an seine Rekrutierung zurück, fand im nachhinein, daß die Soldaten recht gehandelt hatten. Sollte er sie wieder treffen, würde er ihnen Wein ausgeben. Er gehörte eben wirklich zu jenen, die zu ihrem Glück gezwungen werden mußten. Jetzt wußte er, wo er hingehörte, endlich kannte er seine Berufung und seine wirkliche Heimat. Die war unter Männern, die ihn ernstnahmen, zu ihresgleichen zählten und die seine Haltung und seine gepflegte Uniform lobten.
    Angewidert verzog er das Gesicht, als er daran dachte, daß er noch vor wenigen Wochen mit der Mistgabel hantiert hatte. Pflügen, eggen, säen, ernten, jahrein, jahraus das gleiche Lied. Er mußte nur die alten Bauern ansehen, um zu wissen, wohin das führte – krummer Rücken, kaputte Füße, schmerzende Glieder – und wer dankt es einem? Nie wieder, schwor sich Mössner, ich gehe nie wieder zurück. Ich fasse nie wieder eine Mistgabel an. Und mit dem Gewehr kann ich sowieso besser umgehen.
    Zu seinem Glück fehlte jetzt nur noch eins – der wirkliche Kanonendonner der Schlacht. Er konnte es kaum noch erwarten. Da er sich hatte versetzen lassen, sah er Korporal Schreiber nur wenig, aber das störte ihn nicht, denn er hatte inzwischen andere Freunde. Die Assenheimerin war ihm nun ein Dorn im Auge. Er konnte ihr nicht verzeihen, daß sie sein unrühmliches Verhalten bei der Rekrutierung miterlebt hatte, daß sie ihm wegen Clärle Vorwürfe machte. Am meisten aber ärgerte ihn, daß sie ihn wie einen dummen Jungen behandelte, wenn er mit Kameraden, die ihn respektierten, in ihre Nähe kam.
    Er kaufte bei anderen Marketendern und sorgte dafür, daß die Assenheimerin das merkte. Bei den anderen erhielt er zwar nichts geschenkt, aber dafür räumten sie ihm einen weitaus großzügigeren Kredit ein als die Assenheimerin, die ihm manchen Kauf mit der Erklärung, er könne sich das nicht leisten, abgeschlagen hatte. Nun, er würde es den beiden schon zeigen, sie würden eines Tages stolz darauf sein, ihn gekannt zu haben, aber dann würde er sie nicht mehr kennen. Oder er würde sich großmütig zu ihnen herablassen und die Assenheimerin würde ihm die Hände küssen …
    »Und drinnen waltet die züchtige Hausfrau – alles für den Ansturm vorbereitet?«
    Klappernd fiel ein Bierkrug zu Boden.
    »Entschuldigung, ich wollte dich nicht erschrecken.«
    Wie hatte sie diese Stimme vergessen können?
    »Grüß Gott, Herr Oberleutnant«, sagte Juliane unwillkürlich. Sie zwang sich ihn anzusehen, war zu aufgeregt, um glücklich zu sein und fürchtete, ihre Augen würden ihre verbotene Sehnsucht verraten.

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