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Die Marketenderin

Die Marketenderin

Titel: Die Marketenderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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auf die Erde. Alle anderen verstummten und blickten auf Mössner, der auf die Assenheimerin zuging, ohne sie eines Blickes zu würdigen, einen Vogel vor ihr aufhob und ihn mit einer völlig unmilitärischen Verbeugung dem Franzosen überreichte. Verblüfft musterte dieser Mössner, überließ Ziegler den anderen Vogel, nahm die Taube entgegen und machte mit der Hand die Gebärde des Trinkens. Mössner nickte und verschwand zusammen mit dem Franzosen zwischen den Zelten.
    Ein markerschütternder Schrei Jakobs ließ Juliane herumwirbeln. Ein Württemberger hatte Potzblitz am Nacken gepackt.
    »Sofort loslassen!« herrschte sie ihn an, stürzte auf ihn zu und packte ihn am Arm. Der Soldat schüttelte sie ab. Mit aller Kraft schleuderte er das Hündchen zu Boden. Reglos blieb das Tier liegen. Laut schreiend näherte sich Jakob dem Hund, aber ein Fußtritt des Soldaten warf ihn zu Boden.
    »Der Hund hat die Fahne entehrt!« brüllte er, deutete auf den dunklen Fleck am Fuße der Fahnenstange, griff sich den toten Hund und verschwand.
    Ein paar französische Soldaten lachten.
    Juliane zitterte vor Wut, vor Mitgefühl und vor Hilflosigkeit. Sie kannte den Soldaten, wußte, daß er Karl Bleichle hieß und daß ihn kein Gericht der Welt für seine grausame Tat verurteilen würde. Keine Haferflocke kriegt er mehr von mir, und wenn er verhungert, schwor sie, als sie Jakob in die Arme nahm und ihn zu trösten versuchte. Weil ihr nichts Besseres einfiel, erzählte sie ihm, daß Potzblitz in den Hundehimmel kommen und von da aus über ihn, Jakob, wachen würde. Aber Jakob ließ sich nicht trösten. Er glaubte an keinen Himmel mehr.
    »Ein Württemberger verteidigt die Ehre der französischen Fahne!« empörte sie sich am Abend, als sie mit ihrem Mann allein war.
    »Es ist nun mal die Fahne, unter der wir marschieren«, gab er zu bedenken.
    »Und gegen die wir vielleicht nächstes Jahr kämpfen, wenn's unserm König so gefällt«, fuhr sie ihn an.
    Matthäus hatte keine Lust, wieder mit seiner Frau über Könige und Kaiser zu streiten. Es gefiel ihm zwar, daß sie begonnen hatte, sich für Politik zu interessieren, aber es störte ihn, daß sie aus so komplizierten Vorgängen so schlichte Schlußfolgerungen zog und sich dabei immer so fürchterlich aufregte.
    »Bleichle hat jedenfalls von seinen Kameraden schon eine Strafe weg«, wechselte er das Thema.
    »So, welche denn?«
    »Sie nennen ihn jetzt nur noch Hundeherz. Er hat sich nämlich geweigert, auch nur einen Bissen abzugeben und hat vor aller Augen das Hundeherz roh verzehrt. Von heute abend an werde ich übrigens zwei Wachen für dich abstellen. Im Lager wird um jeden Krümel Brot und jedes Stückchen altes, zähes Ochsenfleisch gekämpft. Es gefällt mir nicht, daß du mit deinen Vorräten unbewacht bist.«
    Juliane zog ihre Pistole unterm Rock hervor.
    »Ich kann mich und mein Eigentum verteidigen.«
    Er strich zärtlich über ihre Wangen. »Ich möchte aber, daß du wieder schläfst. Daher die Wachen.«
    »Darfst du das überhaupt?« erkundigte sie sich.
    Er hob die Schultern.
    »Ach, Julinda, es ist doch die Aufgabe von Soldaten, Zivilisten zu beschützen«, lächelte er.
    »Mir wär's lieber, wenn wir wieder losmarschierten«, meinte sie nachdenklich. »Dann sind die Männer abends müd. Das Lagerleben macht böse. Vor allem bei dieser Hitze. Da brodelt das Blut.«
    Wenige Stunden später wurde ihr Wunsch erfüllt. Um Mitternacht erhielt das Korps den Befehl zum sofortigen Abmarsch. Vielleicht lag es daran, daß es Nacht war, die Soldaten verschlafen oder betrunken, jedenfalls hatte Juliane noch nie einen so gespenstischen Abmarsch erlebt.
    In aller Stille wurden die Zelte abgebaut, die Wagen beladen, nur ab und zu hallte ein Kommando durchs Lager. Niemand sang und nur halbherziges Trommeln begleitete den Zug, als zum Aufbruch geblasen wurde. Es war noch dunkel, als das Korps loszog. Geplant war, daß der Zug bis zum Abend marschieren und dann in einem Forst das Lager aufschlagen sollte. Als die Abenddämmerung anbrach, war der Forst erreicht und niemand gab ein Zeichen zum Rasten. Es wurde Nacht, aber in der Ferne sah man einen hellen Lichtschein.
    Matthäus, der ziemlich weit vorn marschierte, begriff als einer der ersten, daß der Wald brannte, und er hoffte nur, daß sich der Wind nicht drehen und das Feuer sie alle einkreisen würde. Er sorgte dafür, daß seine Soldaten kleinere Brandherde löschten, die entlang der Heerstraße entstanden waren, und innerlich

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