Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Marketenderin

Die Marketenderin

Titel: Die Marketenderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
Vom Netzwerk:
fluchte er über die voranmarschierenden Kolonnen, die sich nicht die Zeit genommen hatten, ihre Kochfeuer ordentlich zu löschen.
    Oberst von Röder ritt die Reihen ab und blieb bei Schreiber stehen.
    »Weiter unten gibt's einen Sumpf. Da können Ihre Männer die Feldflaschen füllen. Und sorgen Sie dafür, daß Ihre Frau auch was abkriegt.«
    Wie aufmerksam, dachte Matthäus, ein Oberst, der sogar an die Marketenderin denkt!
    Von Röder nickte zufrieden, als er zu einer Soldatengruppe sah, die ein Feuerchen ausschlug.
    »Sehr gut, Korporal, aber ich fürchte, wir werden keine Zeit haben, alle Feuer zu löschen. Da vorn sieht es bedenklich aus.«
    Georg Mössner, der den ganzen Vortag mit den Franzosen getrunken hatte und sich seitdem nur noch ›George‹ ansprechen ließ, wurde mit einem Schlag nüchtern, als ein Funkenregen über den mit Planen bedeckten Munitionswagen fiel, neben dem er herschritt, und den Stoff in Brand setzte.
    Hastig schlug er das Feuer aus, aber ein Blick nach vorn belehrte ihn, daß es noch schlimmer kommen würde. Zu beiden Seiten der Heerstraße brannte der Wald lichterloh. Wie sollten sie bloß mit ihrer Munition heil durch dieses Flammenmeer kommen? Die Pferde scheuten, Mössner schlug auf sie ein, bis er schließlich auf die Idee kam, ihnen Tücher vor die Augen zu binden.
    Die Hitze, die aus dem Wald strahlte, wurde immer unerträglicher, der Rauch fraß sich durch die Kehlen bis in die Lungen der Marschierenden. Direkt vor Mössner stürzte ein brennender Baum auf die Straße, erschlug einen Kameraden und begrub den Unterleib eines anderen Soldaten unter sich. Die Schreie des Soldaten gingen im Grollen und Zischen des Feuers unter. Doch niemand konnte ihm helfen, alle mußten daran arbeiten, die Munitionswagen vor den Flammen zu schützen. Als Soldaten schließlich den Baum aus dem Weg räumten, war der junge Mann mit den zerquetschten Beinen ohnmächtig geworden.
    »Hebt ihn auf einen Wagen!« rief ein Soldat.
    »Er ist doch tot!« brüllte Mössner, der in Panik geriet, weil er die Übersicht verloren hatte. Er stieß mit dem Fuß gegen den Körper und rollte ihn dann an den Wegesrand in die Nähe eines brennenden Busches. »Sollen sich andere um ihn kümmern!«
    Franz Ziegler packte ihn am Arm. »Warum?« fragte er entsetzt.
    »Weil wir uns alle beeilen müssen, hier rauszukommen. Für ein christliches Begräbnis ist keine Zeit.« Mössner schüttelte Ziegler ab. Der blickte seinen Kameraden an, als sähe er ihn zum ersten Mal, wendete sich dann ab, sprang zu dem Mann, schlug die Flammen aus, die nach ihm züngelten, schulterte den Körper und lief in entgegengesetzter Richtung neben dem Zug her, bis er auf den Planwagen der Assenheimerin stieß.
    Sie zügelte ihr Pferd und sah ihn fragend an.
    »Assenheimerin, Sie haben doch Platz im Wagen.« Schwer atmend ließ Ziegler seine Last zu Boden gleiten.
    Sie schlug die Hände vor den Mund, stieg vom Wagen und half Ziegler, den Bewußtlosen aufzuladen. Dann beauftragte sie Jakob, neben dem Mann sitzen zu bleiben, und reichte ihm ein kleines Fläschchen mit Hoffmannstropfen.
    »Wenn er wieder zu sich kommt, flöß ihm hiervon was ein.«
    Ziegler beeilte sich, an seinen Platz zurückzukehren.
    »Deine Strafe ist dir sicher!« rief ihm Mössner zu, als er sich wieder eingegliedert hatte. »Eigenmächtiges Verlassen der Truppe.«
    Ziegler schüttelte nur den Kopf. Wäre er doch bloß bei den Weinbergen geblieben! Er erinnerte sich sogar an den Traum, aus dem ihn der Abmarschbefehl gerissen hatte. Ganz zärtliche Gefühle hatte er da für seine Frau gehabt, sie in den Armen gehalten, ihr sanft über die Brust gestrichen. Wie weich ihr Busen war – das hatte er völlig vergessen. Und genauer besehen, war sein Schwiegervater auch kein übler Kerl. Eben ein alter Herr, der nicht mehr so konnte, wie er wollte, und sich ab und zu über den Schwiegersohn aufregte, der mehr konnte, als er wollte.
    Er hatte wie die Made im Speck gelebt, das sah er jetzt ein, und er mußte verrückt gewesen sein, sich auf dieses sogenannte napoleonische Abenteuer einzulassen. Aber jetzt ist es zu spät, dachte er, jetzt werde ich in diesem Wald mit der Munition in die Luft fliegen und meine Frau zur Witwe machen. Wütend fegte er einen brennenden Zweig vom Wagen. Warum hatte er sich auch von Mössner überreden lassen, zur Artillerie überzuwechseln! Ein Hustenanfall unterbrach die quälenden Gedanken. Wasser, dachte er nur, Wasser, Wasser, Wasser – aber den

Weitere Kostenlose Bücher