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Die Marketenderin

Die Marketenderin

Titel: Die Marketenderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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letzten Tropfen hatte er vor drei Stunden aus seiner Feldflasche gesogen und es sah nicht so aus, als ob man demnächst wieder an irgendeinen Wasserlauf herankommen könnte.
    Rast konnte nicht gemacht werden, der brennende Wald trieb den Zug weiter. Kaum einer der Marschierenden fühlte noch seine Füße und als vier Männer vor Erschöpfung zusammenbrachen und auf der Straße liegenblieben, drehten sich ihre Kameraden kaum noch nach ihnen um.
    Jeder war mit dem eigenen Überleben beschäftigt, hin und wieder hörte man Soldaten Zahlen murmeln. 76 … 77 … 78 … und bei hundert begannen sie wieder von vorn. Nichts schien zu diesem Zeitpunkt sinnvoller zu sein, als die Schritte zu zählen, die irgendwann aus der Hölle führen würden.
    Den ersten der liegengebliebenen Männer hatte Juliane mit Jakobs Hilfe in ihren Wagen geladen. Sie bat dann den Jungen auf dem Bock Platz zu nehmen und kümmerte sich im Wageninneren um die beiden Männer. Jakob sah zwar die drei anderen auch am Wegesrand liegen, aber er blickte jedesmal schnell weg und teilte der Assenheimerin nichts davon mit. Sie hat genug gerettet, dachte er und trieb das Pferd an, das auch nur noch mühsam einen Fuß vor den anderen setzen konnte. Um diese Männer kann sich das fliegende Lazarett kümmern.
    »Jetzt bist du dran«, erklärte Juliane, als sie aus dem Wageninneren auftauchte.
    »Wisch ihnen mit den feuchten Lappen das Gesicht.«
    Sie tauschte den Platz mit Jakob, hielt aber den Atem an und lauschte in das Innere des Wagens. Wie würde der Junge reagieren, wenn er den Mann wieder erkannte, der sein Hündchen getötet hatte?
    Aber Jakob erkannte den Mann nicht. Der Soldat, der mit leidendem Gesicht und zerschmetterten Beinen vor ihm lag, erinnerte ihn nicht an die fürchterliche Gestalt, die Potzblitz mit solcher Kraft zu Boden geschleudert hatte.
    Gerter, der dem Zug ein paar Minuten vorausritt, erblickte plötzlich vor sich eine Feuerwand. Im ersten Moment glaubte er, daß seine Augen ihm einen Streich spielten. Er war wie alle anderen seit beinahe zwanzig Stunden ununterbrochen unterwegs, hatte kaum etwas zu trinken und so gut wie nichts zu essen gehabt und er wußte aus Erfahrung, daß der Mensch dann Dinge sehen kann, die nicht wirklich da sind. Die Hitze schien auch zugenommen zu haben, aber er schrieb das ebenfalls seiner Einbildungskraft zu. Felix konnte er nicht fragen, der lief mit der Bibel im Gepäck weiter hinten und bearbeitete den Pfarrer, das junge Paar doch endlich zu trauen. Er schloß die Augen und wollte sein Pferd antreiben, einfach durch die Feuerwand zu galoppieren, aber als der Hengst scheute, war ihm klar, daß der Weg vor ihm wirklich versperrt war.
    Er stieg ab und näherte sich vorsichtig der Brandstelle, als die Feuerwand plötzlich wie durch Zauberhand verschwand. Ohrenbetäubendes Krachen und Zischen folgte, und da erkannte Johannes, daß die Holzbrücke ein Raub der Flammen geworden war und ins Flüßchen darunter stürzte.
    Wasser, dachte er, Wasser, und er rieb sich die brennenden Augen. Eine Dampfwolke stieg auf, hüllte ihn ganz kurz ein und verzog sich dann wieder.
    Es erschien den Marschierenden wie ein Wunder, daß das Wasser des Baches trotz der glühenden Hitze nicht kochte. Ungeachtet der heißen Steine am Ufer stürzten sich die meisten kopfüber in das Flüßlein, schlürften das Wasser wie Tiere an der Tränke, tauchten unter und ließen sich durch kein Kommando dazu bringen, den Nachfolgenden Platz zu machen.
    Johannes betrachtete die dicht aneinander gepreßten Leiber im Wasser, und es kam ihm der seltsame Gedanke, daß die Nachfolgenden trockenen Fußes das andere Ufer erreichen könnten, wenn sie einfach über die Körper der Durstigen stiegen.
    Mössner war einer der ersten, der wieder aus dem Wasser auftauchte und für Ordnung sorgte. Johannes sah anerkennend zu, als sein Neffe eine Gruppe wieder zu Kräften gekommener Soldaten anwies, an einer seichten Stelle eine Art Furt aus Sand, verkohltem Holz und Steinen anzulegen.
    Wer hätte das gedacht, der Mössner hat, was mir fehlt. Er behält die Übersicht und treibt die Leute erfolgreich an. Erwachsen ist er geworden, der Junge, dachte er, und es sieht ganz so aus, als ob er beim Militär seine Berufung gefunden hat. Franziska würde sich wundern, wenn sie ihren Sohn jetzt sähe! Gestern war er noch ein Rekrut und heute scheint er schon über Autorität zu verfügen. Erstaunlich, wie alles nach seiner Pfeife tanzt!
    Er blickte sich nach Felix um

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