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Die Marketenderin

Die Marketenderin

Titel: Die Marketenderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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warum?«
    »Sie wissen doch, Herr Oberleutnant, diese Leute verkaufen ihre Großmutter, und wenn ihnen der Russe mehr bietet, sind wir morgen verloren. Jude und Russe zugleich, ist das nicht ein bißchen gefährlich?«
    »Wenn er kein Jude wäre, wäre es gefährlicher. Russische Kosaken haben seine Familie ermordet. Er sieht in uns seine Befreier.«
    »Was hat die Familie denn getan?«
    »Sie sind halt Juden.«
    In Schreibers Kopf arbeitete es. »Sie haben jemanden übers Ohr gehauen. Das ist es! Da haben die Russen Rache genommen.«
    »Nein, Schreiber, es sieht anders aus: Die Kosaken warten, bis die Juden ein bißchen Wohlstand erworben haben, überfallen sie, plündern sie aus, ermorden sie und sind dann ein bißchen reicher.«
    »Das ist doch nicht Ihr Ernst!«
    »Mein voller, lieber Freund.«
    »Aber … schreitet die Obrigkeit denn nicht ein?«
    »Die Obrigkeit, mein lieber Schreiber, scheint diese Vorgänge zu dulden. Jedenfalls schreitet sie nicht ein. Wer sind schon Juden? Leute, die ihre Großmutter verkaufen!«
    Matthäus blickte zu Boden. »So habe ich das doch nicht gemeint!«
    »Aber du mißtraust Herrn Abramow.«
    »Er ist mir halt fremd. Und, Herr Oberleutnant, es geht wirklich nicht an, daß er reitet. Das schafft böses Blut. Ich darf doch auch nicht mehr aufsitzen. Wir haben zuwenig Pferde, Herr Oberleutnant.«
    »Da hast du recht. Er soll auf einem Wagen mitfahren.«
    Eli Abramow war höchst erfreut, als ihm Gerter mitteilte, daß er künftig gefahren werden sollte. Er war des Reitens ziemlich unkundig und hatte sich bereits gehörig wund geritten. Daß er für seinen lahmen Gaul auch noch Geld erhielt, versöhnte ihn mit der Tatsache, daß ihm ein württembergischer Wachmann mit entsichertem Gewehr folgen sollte, um ihn im Falle eines Verrates zu erschießen. Eli hatte nichts zu verlieren.
    Gerter sah sich um.
    »Wo steckt deine Assenheimerin?«
    »Noch in Evé. Sie will versuchen, an Lebensmittel heranzukommen. Und an Leder und …« Matthäus hatte den Satz noch nicht beendet, als er plötzlich von Gerter an den Schultern gepackt und geschüttelt wurde. Noch nie hatte der Korporal den Oberleutnant so wütend gesehen.
    »Das darf doch nicht wahr sein! Du hast sie allein zurückgelassen …«
    »Jakob ist bei ihr«, warf Matthäus erschrocken ein.
    »Jakob!« Gerter faßte sich an den Kopf. »Welch ein Wahnsinn! Weißt du eigentlich, was sich abseits der Heerstraße abspielt! Überall Kosaken! Muß ich dir erzählen, was die mit einer Frau machen, bevor sie sie umbringen?«
    Er wandte sich ab und rieb sich heftig das Gesicht. Wenn es nur noch nicht zu spät ist, dachte er verzweifelt.
    »Warum hast du ihr nicht wenigstens eine Wache dagelassen!?« schrie er Schreiber an.
    »Damit ich mir nachsagen lassen muß, daß meine Frau eine Extrawurst kriegt? Und außerdem soll die Gegend, die sie absucht, kosakenfrei sein. Habe ich aus sicherer Quelle«, brüllte Matthäus zurück. Er hatte sich immer wieder verboten, an die Gefahren zu denken, denen seine Assenheimerin ausgesetzt war. Wenn er Wolodja nun falsch verstanden hatte? Oder sich der Bauer geirrt hatte? Aber die Assenheimerin war klug, kräftig und mutig, das wußte Gerter doch auch. Matthäus rätselte, weshalb der Oberleutnant derart aus der Haut gefahren war.
    Mössner hatte das ungute Gefühl, daß er nach der Begegnung mit seinem Onkel, auf den er immer so stolz gewesen war, bei seinen Männern an Terrain verloren hatte. In Zieglers Gesicht vermeinte er ein ironisches Lächeln zu lesen. Er trat auf den Kameraden zu und schlug ihm auf die Schulter.
    »Hast du das gesehen, Ziegler? Reitet Seite an Seite mit einem Jud! Und wie der auf dem Gaul saß! Wie ein Schluck Wasser, der gleich runtertropft!«
    »Ein Schluck Wein wär mir jetzt lieber«, entgegnete Ziegler und versuchte sich nicht anmerken zu lassen, wie unangenehm ihm Mössners Berührung war.
    »Mir auch! Komm mal mit.«
    Er ließ die Rekruten wegtreten, legte den Arm um Ziegler und führte ihn von den anderen Männern weg, die sich langsam wieder zum Zentrum des Lagers hinbewegten.
    »Wir werden Wein trinken!« strahlte Mössner Ziegler an.
    Seit dem Erlebnis im brennenden Wald hatte sich Ziegler von Mössner ferngehalten. Er konnte einfach nicht vergessen, wie sein Kamerad den noch lebenden Bleichle beinahe ins Feuer gestoßen hatte.
    Mössners Drohung, daß er wegen unerlaubten Entfernens von der Truppe bestraft werden würde, hatte zwar keine Folgen gehabt, aber Ziegler war auf

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