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Die Marketenderin

Die Marketenderin

Titel: Die Marketenderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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der Hut. Er hatte Angst vor Mössner, denn er hatte begriffen, daß aus einem Freund schneller ein Feind werden konnte als aus einem Menschen, zu dem man weiter keine Beziehung hat. Er hatte erlebt, wie Mössner Ohnesorg behandelt hatte und wünschte nur noch, nie mehr mit ihm etwas zu tun zu haben. Hoffentlich wußte Mössner nicht, daß er sich um eine Versetzung bemüht hatte. Er griff nach der Brusttasche und fühlte den Brief seiner Frau knistern. Das gab ihm Kraft.
    Adelgunde, dachte er, du hast überhaupt keine Ahnung, wie sehr ich dich liebe. Wie ich mich nach dir und deinem weichen Körper sehne. Nach deiner Wärme, deinem kleinen Lispeln, einfach nach dir und deinen guten Augen. Deine Weinberge sind mir ganz egal geworden. Wenn ich an dich denke, denke ich an andere Berge. Wie gern möchte ich mich da niederlegen. Du würdest den Mössner auch nicht mögen. Du bist schlauer als ich, hättest ihn wahrscheinlich sofort durchschaut. Was findest du bloß an mir? Wie dumm ich doch war, als ich dich kennenlernte. Und wie blind. Ich wußte ja nicht, daß ich auf einen Schatz gestoßen war.
    »Schatz«, sagte Mössner gerade, und einen Moment lang fürchtete Ziegler, Mössner könne seine Gedanken lesen. »Einen wirklichen Schatz habe ich dem Juden in Evé abgenommen.« Er deutete verächtlich nach vorn, wo sich irgendwo Gerter befand. »Der Kerl, mein Onkel, meine ich, der bezahlt Juden auch noch. Kannst du dir das vorstellen? So was tut man nicht. Juden macht man sich gefügig und schickt sie dann zum Teufel. Wo sie hingehören. Ein Halunkenpack, nicht wahr, Ziegler? Schau mal her.«
    Er zog ein Goldstück, eine Uhrenkette und einen Ring aus der Hosentasche.
    Den Ring hielt er Ziegler vor die Nase.
    »Den versaufen wir heute. Nichts hat er mich gekostet. Nur eine kleine Drohung. Und einen einzigen Peitschenschlag. Du bist eingeladen, Ziegler! Du wirst es nicht glauben, aber es gibt hier noch eine Kneipe. Das habe ich herausgefunden. Und rate mal, wem sie gehört! Jawohl, einem Juden. Jedenfalls sieht er so aus und er hat kugelrunde Augen gekriegt, als er diesen Ring sah.«
    »Ich denke, du bezahlst Juden nicht?« fragte Ziegler.
    »Ich muß ihm den Ring vorher geben, sonst rückt er nichts raus. Aber verlaß dich drauf, wir werden die Kneipe abgefüllt und mit dem Ring verlassen. Ich habe so meine Methoden!«
    »Hat der Mann auch was zu essen?« fragte Ziegler.
    »Wir essen heute Wein, mein Lieber!«
    Johannes Gerter hielt es keine Minute länger als nötig in Suderwa. Eigentlich hätte er wieder nach Maliaty vorreiten und sich weiter um die Errichtung des Lazaretts kümmern müssen, aber bei dem Gedanken, daß sich die Assenheimerin in Lebensgefahr befand, trat der Auftrag in den Hintergrund.
    »Ich lasse Felix und Herrn Abramow bei euch«, beschied er Schreiber, »und reite deiner Frau entgegen.«
    Matthäus Schreiber stieß zwar einen Seufzer der Erleichterung aus, blickte Gerter aber sehr nachdenklich hinterher.
    Ein Fernrohr, dachte Juliane, ich muß mir unbedingt ein Fernrohr besorgen. Ihre Einbildung spielte ihr sicher einen Streich, sie hatte Johannes so sehr herbeigesehnt, daß der einsame Reiter für sie jetzt dessen Gestalt angenommen hatte. Starr hielt sie das Gewehr auf den Mann gerichtet, bis Jakob aufgeregt rief: »Es ist der Herr Oberleutnant!«
    Juliane legte das Gewehr zur Seite. Jeder Knochen tat ihr weh, als sie vom Wagen rutschte und auf Johannes zurannte. Im Galopp kam er ihr entgegen, hob sie hoch, als wiege sie nur ein paar Unzen, und setzte sie vor sich aufs Pferd. Er drosselte das Tempo, schob sanft ihr gelöstes Haar zur Seite und hätte sie auf den Nacken geküßt, wenn sie nicht in dem Augenblick den Kopf umgewandt hätte. Sie verlor sich in den Augen, deren Farbe sie immer noch nicht ergründet hatte – grau, blau oder grün – und sah unter dem blonden Schnurrbart halb geöffnete Lippen, die zum Küssen einluden.
    »Brrrr …« Jakob hatte das Pferd am Zügel gepackt und zog Juliane am Rock.
    »Das Pferd bricht gleich zusammen!« warnte der Junge und deutete auf den Schaum vor dem Maul des Tieres. Entzaubert glitt Juliane hinab und vermied es, Johannes anzusehen, als er dem Tier begütigend auf die Flanke klopfte.
    »Ein Augenblick, gelebt im Paradiese«, sagte er, weil ihm nichts anderes einfiel.
    Das Lazarett war am Dorfrand von Maliaty in einem geräumigen Gutshaus und den angrenzenden Gebäuden untergebracht. Da nur wenige Betten zur Verfügung standen, lagerten die meisten

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