Die Marketenderin
an den selbsternannten Anführer ausliefern wollte.
Als Mössner sah, daß der Ungehorsame mit seinem Karren dorthin rannte, wo das Feuer am heftigsten wütete, nahm er die Verfolgung nicht auf. Es gibt noch andere Karren, dachte er, denn ihm war klargeworden, daß ihnen der gestohlene Wagen der Holländerin in den von Menschen und Trümmerstücken verstopften Straßen nicht von Nutzen war.
»Wir brauchen ein Hauptquartier«, beschied er seiner Schar und deutete auf ein größeres Steinhaus, um das ein eiserner Zaun lief.
»Das zum Beispiel.«
»Und wenn da jemand wohnt?« wandte einer ein. Ein vernichtender Blick traf ihn. »Wir wohnen jetzt hier. Wir haben Moskau erobert! Kommt, wir stürmen das Haus!«
Mit lautem Geheul stürzten die neun Männer in den Hof, fanden die Haustür unverschlossen und drangen in die große Halle ein.
»Verteilen«, befahl Mössner und wies jedem eine Richtung an. Er selber blieb in der Halle, schob den Riegel vor die Eingangstür und blickte sich um. Es sah hier ähnlich aus wie in dem Leipziger Kaufmannshaus, genauso weiträumig und mit ähnlich dunklen Möbeln ausgestattet.
Ein Glücksgefühl stieg in Mössner auf. Er hatte das Haus entdeckt, hier konnte er wohnen. Endlich war er reich! Nie wieder Kühe melken, nie wieder Mistgabeln! Mit dem Fuß stieß er die Flügeltür zu einem der hinteren Räume auf. Viel zu voll gestellt, urteilte er. Hier werden die Wände weiß gestrichen und in die Mitte kommt ein Klavier. Er würde schon eins finden.
Ein Geräusch, das wie unterdrücktes Husten klang, ließ ihn herumwirbeln. Mit vorgehaltenem Gewehr näherte er sich einem großen schwarzen Schrank mit vielen Schnitzereien, dessen Tür einen Spalt offenstand. Er riß die Tür auf und blickte in zwei angstvoll geweitete dunkelbraune Augenpaare.
»Raus!« befahl er und zwei Mädchen mit weißen Schürzen fielen ihm vor die Füße.
Schade, dachte er, nicht die Töchter des Hauses, aber auch wenn es nur Dienstboten sind, so sind es doch Frauen. Jung und beinahe hübsch noch dazu. Ja, Ziegler, dachte er an seinen Kumpan der ersten Tage in Öhringen, das würde dir jetzt gefallen, aber du hast es leider nicht geschafft. Nur die Kräftigsten sind bis Moskau gekommen und können sich jetzt auf Frauen und Reichtümer stürzen.
Er dachte schnell nach und betrachtete die Mädchen, die mit den Gesichtern im Staub vor ihm lagen. Seit Clärle war er mit keiner Frau mehr zusammengewesen und die Möglichkeit, seine Macht an mindestens einer dieser zwei Frauen demonstrieren zu können, überwältigte ihn. Er hörte seine Kameraden im Stockwerk über ihm rumoren, aus dem Keller drangen begeisterte Schreie nach oben und von irgendwoher tönte lautes Klirren von Porzellan und Glas.
Er mußte sich schnell entscheiden.
Entweder er teilte sich die weibliche Beute mit seinen Kameraden, was auch einen gewissen Reiz hatte, oder er behielt sie für sich. Dann müßte er sie so verstecken, daß sie nicht davonlaufen könnten.
Eines der Mädchen hob den Kopf ein wenig und senkte ihn sofort wieder, als sich ihre Blicke trafen. Er riß sie an den Haaren, zwang sie, ihn anzusehen.
»Du gehörst mir, hörst du!« herrschte er sie an, stieß sie wieder in den Schrank und schloß die Tür von außen ab. Er steckte sich den Schlüssel in die Brusttasche und stubste das andere Mädchen mit dem Fuß an.
»Aufstehen!« befahl er.
Sie verstand, richtete sich auf, und Mössner lobte sich, daß er die Hübschere der beiden eingesperrt hatte. Er zerrte das Mädchen in die Halle.
»Alle herkommen!« rief er und feuerte einen Schuß in die Decke. Ein Soldat kam mit einem Arm voller Pelze die Treppe heruntergestolpert, ein anderer hatte ein mit Edelsteinen besetztes Kästchen in der Hand, ein dritter wuchtete eine Kiste aus dem Keller und aus der Küche wankten zwei Soldaten mit einem Riesenschinken, von dem sie so große Stücke abgerissen und in den Mund gesteckt hatten, daß sie kaum kauen konnten.
»Schaut her, was ich hier für euch habe!« rief Mössner und stieß das Mädchen zu dem Mann mit den Pelzen. Beide fielen zu Boden und mit großem Hurra stürzten sich die anderen Soldaten dazu, balgten sich zwischen braunen, schwarzen und grauen Tierfellen um das Vergnügen, dem Mädchen die Kleider vom Leib zu reißen.
Mössner sah sich das eine Weile befriedigt an und fand, daß er die Angelegenheit doch vortrefflich geregelt hätte. Jetzt bin ich dran, dachte er, nachdem der dritte Soldat seine Hosen
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