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Die Marketenderin

Die Marketenderin

Titel: Die Marketenderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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verschwand: »Wer war denn das?«
    »Dr. Schmidt, aber eigentlich heißt er Leppich«, sagte Juliane und berichtete atemlos ihr Erlebnis. Während Matthäus an nichts anderes denken konnte, als daß seine Assenheimerin in Gefahr gewesen war und er ihr nicht hatte beistehen können, überlegte der Oberst, wo er den Namen Leppich schon gehört hatte. Als Juliane von einer ›Höllenmaschine‹ sprach, fiel es ihm wieder ein.
    »Natürlich! Ich erinnere mich! Als wir im Frühjahr loszogen, hatte ihn König Friedrich gerade eingestellt. Der Stuttgarter Hofkapellmeister Konradin Kreutzer hatte dem König erzählt, Leppich habe eine Flugmaschine konstruiert, die mindestens fünfzig Personen fassen könne. Natürlich war der König daran interessiert, einen schwäbischen Ikarus zu unterstützen. Er gewährte Leppich eine Menge Hilfspersonal, mit dem dieser sich auf das Schloß in Tübingen zurückzog und ganz im geheimen arbeitete. Wie mir General von Scheeler erzählte, kam dem König zu Ohren, daß Leppich mit enormen Mengen von entzündbaren Stoffen hantierte. Als er eine Erklärung forderte, erklärte Leppich, seine Flugmaschine könne mit Pulver befrachtet werden und so von oben her feindliche Kolonnen auf einen Schlag völlig vernichten.«
    »Das gibt's doch nicht!« rief Matthäus entsetzt.
    »Doch, die Maschine gab's, aber der König, entsetzt über das Höllending, machte kurzen Prozeß. Er jagte den Verbrecher oder besser, den Kranken, mit Schimpf und Schande aus dem Land. Es gehört schon ein sehr krankes Hirn dazu, eine Pulver speiende Flugmaschine zu entwerfen.«
    »Eine Kanonade von oben«, flüsterte der Korporal erschüttert. »Das wird Gott niemals zulassen.«
    Georg Mössner hatte keinesfalls vor, so lange zu warten, bis der allgemeine Befehl zum Einmarsch in die Stadt gegeben wurde. »Napoleon, seine Garden und einige französische Truppen sind ja schon im Zentrum von Moskau«, sagte er zu der kleinen Gruppe von Vertrauten, die er in den vergangenen Wochen um sich versammelt hatte.
    »In Moskau, einer der reichsten Städte der Welt! Die Perle Asiens, wie man sagt! Wollt ihr wirklich zusehen, wie die Franzosen jetzt alle Reichtümer einsacken? Nachdem wir für sie die Köpfe hingehalten haben? Ihr werdet sehen, wenn wir uns nicht selber nehmen, was uns zusteht, speisen sie uns mit kümmerlichen Brocken ab und jagen uns davon.«
    Mössner war inzwischen ein Vollbart gewachsen, der ihm ein wildes und verwegenes Aussehen verlieh. Längst war seine Begeisterung für die Sache Napoleons erloschen. Nur mit knapper Not war er auf dem Heiligen Feld von Volontina dem Tod entronnen, es war die erste Schlacht, bei der er im ärgsten Getümmel gekämpft hatte. Trotzdem hatte er keinen Orden erhalten. Die wurden Toten und Schwerverwundeten nach der Schlacht von Napoleon verliehen. Was nützt mir Ehre, wenn ich tot bin, dachte er, Clärle hat damals im Heuschober recht gehabt. Was habe ich denn davon, wenn ich immer wieder mein Leben aufs Spiel setze und dann damit abgefertigt werde, daß ich nur meine Pflicht getan habe? Ich war ziemlich dumm, als ich glaubte, es genüge, ein guter Schütze zu sein und herumkommandieren zu können, um irgendwann Offizier zu werden. Ich will als reicher Mann zurück nach Württemberg, Weinberge kaufen und mich zur Ruhe setzen. Vielleicht kann ich ja die Witwe von Ziegler heiraten, mit ihr in ein riesiges Gutshaus ziehen, ein weißes Zimmer haben, in dem sie mir auf dem Flügel was vorspielt … Er verlor sich in Tagträumen, sah sich als gemachten Mann in einer goldenen Kutsche nach Stuttgart fahren. Nie wieder arbeiten … Es gab nur eine Möglichkeit, wie er sich diesem Ziel nähern konnte: Er mußte mit heiler Haut nach Moskau kommen und sich an den viel besungenen Schätzen der Stadt bereichern. Die nächste Schlacht würde ohne ihn stattfinden!
    Bei der Schlacht von Borodino vor den Toren der gelobten Stadt Moskau zog er zunächst mit, verlangsamte aber unauffällig seinen Schritt, als er ein paar vereinzelte Heuhaufen auf einem benachbarten Feld entdeckte. Es gelang ihm, sich im Schlachtengewühl davonzustehlen. Allerdings war er höchst überrascht, den angepeilten Heuhaufen bereits besetzt vorzufinden, und zwar von einem Russen.
    Nach dem ersten beiderseitigen Schreck lud ihn der Russe ein, Platz zu nehmen und zeigte ihm, wie er sein Gewehr am besten verstecken könnte, damit es nicht herausragte und sie verriet. Ihnen stand zwar keine gemeinsame Sprache zur Verfügung, wohl

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