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Die Marketenderin

Die Marketenderin

Titel: Die Marketenderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Wasserturm?« fragte Juliane.
    »Er wird wohl in der Nähe des Flusses sein, denken Sie nicht?« Er sah Juliane von der Seite an und fügte hinzu: »Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie den Herrn Korporal mit mir gehen ließen. Es soll wild in der Stadt zugehen, ich bin kein Held und würde gern heil an der Kremlmauer ankommen.«
    Kreml, dachte Juliane und sah Franziska Mössner vor sich, jetzt weiß ich, was und wo das ist. Sie strengte die Augen an, konnte aber nicht erkennen, ob da irgendwo eine französische Flagge wehte.
    Felix half Matthäus das Marketenderzelt aufzubauen, damit Juliane vor Regen und Wind geschützt dort auf sie warten konnte. Während die Männer den Wagen ausluden, drückte sie ihre Goldpuppe an sich und blickte sehnsüchtig hinüber zum Kreml, an dessen Mauer Johannes vielleicht jetzt schon auf Felix wartete. Wenn er aber wirklich noch lebte, warum war er nicht zurückgekommen und hatte dem Oberst, wie versprochen, Bericht erstattet? Vielleicht kommt er nicht aus der Stadt raus, vielleicht hat er ein kaputtes Bein wie Matthäus, vielleicht hat ein höhergestellter Offizier ihm einen anderen Befehl gegeben, vielleicht hilft er beim Löschen, immer wieder überlegte sie Möglichkeiten, die ihn an der Rückkehr gehindert haben könnten.
    Als Matthäus und Felix auf dem Bock Platz genommen hatten, schwang sich Juliane daneben auf, nahm den Korporal in die Arme und küßte ihn mit so ungewohnter Leidenschaft, daß Matthäus am liebsten sofort wieder abgestiegen und mit ihr ins Zelt gegangen wäre. Er hielt sie fest, strich über das glatte dunkle Haar, blickte zärtlich in die fast schwarzen Augen und murmelte: »Julchen, wart auf mich.«
    Felix, der auch sein eigenes Pferd vor den Wagen gespannt hatte, trieb die Tiere an und als das Fahrzeug zwischen den Bäumen verschwand, fühlte sich Juliane einsamer als je zuvor in ihrem Leben.
    Hätte sie Johannes in diesem Moment sehen können, hätte er wahrscheinlich gelacht. Der Oberleutnant faltete gerade höchst umständlich einstmals weiße, inzwischen rauchverfärbte Laken zusammen und fluchte, weil es ihm nicht gelingen wollte, einen ordentlichen Stapel herzustellen.
    Er hatte die Tücher in den vergangenen Tagen mit Wasser getränkt und vor die Fenster mit den zerborstenen Scheiben gehängt, um Feuer und Rauch aus dem Palast fernzuhalten.
    Daß er nämlich keinesfalls außer Lebensgefahr war, merkte er, als er hustend im Weinkeller erwachte. Rauchschwaden waberten die Treppe herunter, so daß er in Panik die Tür zum Garten suchte. Er stürzte sich in das Bassin, tauchte unter, verhedderte sich in den Wasserpflanzen und kam mit einem ziemlich klaren Kopf wieder nach oben.
    Der Himmel war voller Rauch, der durch die zerborstenen Scheiben des Palasts zog, aber er schöpfte Hoffnung, als er keine Flammen aus den Fenstern schlagen sah. Sich ein nasses Tuch vor die Nase haltend, trabte er klatschnaß die Hintertreppe hinauf, riß aus einem Wäscheschrank einen Stapel Laken, warf ihn aus dem Fenster ins Wasserbecken und ersetzte später mit den Tüchern die Scheiben, die in der Gluthitze zerplatzt waren.
    Aus einem unbeschädigten Fenster beobachtete er, wie Napoleon mit seinen Garden in der Nacht auf der anderen Seite der Moskwa den Kreml verließ. Die Hitze hatte den Kaiser vertrieben, nicht das Feuer, das im dreifach ummauerten und mit einem Graben versehenen Kreml weitaus weniger Schaden anrichtete als auf der anderen Flußseite, wo sich Gerters Palast befand. Von seinem erhöhten Standpunkt aus konnte er die Räumung des Kremls gut verfolgen.
    Obwohl das Flammenmeer die Nacht hell erleuchtete, verirrten sich auch Napoleons Garden in der Stadt, mußten mehrmals mit dem Kaiser umkehren, weil sie an Straßen kamen, die in Flammen standen.
    Für Johannes gab es in den ersten Tagen des Infernos keinen Fluchtweg, er erkannte, daß er im Palast bleiben mußte, bis die schlimmsten Feuer gelöscht waren. Er verbrachte seine Zeit damit, die nassen Laken vor den Fenstern zu wechseln, die Säle mit ihrer edlen Einrichtung zu inspizieren, sein Tagebuch auf den neusten Stand zu bringen und sich in einem der geräumigen Schlafzimmer häuslich niederzulassen.
    Zu seiner Freude entdeckte er in der Bibliothek eine große Anzahl deutscher Bücher, darunter auch die neuesten Ausgaben von Werken seines geliebten Schiller.
    Später fand er Schriftstücke, aus denen hervorging, daß der Besitzer des Palasts ein deutscher Offizier war, und nicht zum ersten Mal empfand

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