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Die Marketenderin

Die Marketenderin

Titel: Die Marketenderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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ihn mit Butter versorgt. Schiller kannte eben die Menschen, und die Assenheimerin ist weiter von keiner Bedeutung für die Welt oder mein eigenes Leben.
    Er sah auf die Uhr, es war zwar erst sieben, aber er beschloß dennoch, sich schon jetzt auf den Weg zum Wasserturm zu machen. Wenn er Felix nicht antraf, könnte er dort vielleicht eine Nachricht hinterlassen, vielleicht etwas in die Mauer ritzen. Zum Glück war die Brücke links vom Turm unzerstört, er würde sich vorsichtig an rauchenden und noch brennenden Trümmern vorbei den Weg suchen müssen.
    Er malte ein großes Schild, schrieb darauf ›Hauptquartier General von Scheeler‹. Das würde er an die Tür nageln, um mögliche Eindringlinge abzuschrecken. Die Möglichkeit, daß der General oder einer seiner Leute das Schild entdecken könnte, hielt er für sehr gering und selbst wenn das geschah, könnte er immer noch erklären, er habe dieses Gebäude für das Oberkommando sichergestellt.
    Er verließ den Palast durch das Gartentor, stieg die Stufen zum Haupteingang hinauf, ließ seinen Blick über die Straße schweifen und versuchte die Uniformen der grölenden und herumstreunenden Soldaten zu identifizieren. Es würde sich schlecht machen, wenn ausgerechnet jetzt ein Württemberger vorbeikäme.
    Er verzog das Gesicht, als er sah, daß die zwei Russen, die zwei Tage zuvor wegen Brandstifterei an einem Baum aufgehängt worden waren, dort immer noch hin- und herschaukelten. Schnell blickte er wieder auf die Straße, sah etwas weiter weg einen mit zwei Pferden bespannten Planwagen, der sich an Trümmerstücken und wahrscheinlich auch an verbrannten Menschen vorbeiquälte.
    Irgend etwas ließ ihn genauer hinschauen. War das nicht der Wagen der Assenheimerin? Aber selbst aus dieser Entfernung konnte er sehen, daß zwei Männer auf dem Bock saßen. Eine eisige Hand legte sich auf seine Brust. Was war mit der Assenheimerin geschehen? Und mit Matthäus? Dann entfloh ihm ein Seufzer der Erleichterung. Das steif ausgestreckte Bein auf dem Bock konnte nur zu Matthäus gehören und der Mann neben ihm war Felix.
    Johannes rannte die Stufen hinunter, lief dem Wagen entgegen und fragte atemlos: »Und was ist mit der Assenheimerin?«
    »Sitzt auf dem Berg und spielt alte Selma«, lachte der Korporal, glücklich, Johannes wohlbehalten zu sehen. Ohne an sein krankes Bein zu denken, sprang er vom Bock und umarmte Gerter zum ersten Mal.
    In einem anderen Stadtviertel hielt Georg Mössner gerade seiner Schar einen Vortrag. Die Männer hörten ihm aufmerksam, teilweise sogar recht ängstlich zu. In den vergangenen Tagen hatten sie einen neuen Mössner kennengelernt, einen Mann, der sich vom pflichtbewußten Soldaten erst in den Anführer einer Räuberbande und dann in einen ordnungsliebenden Missionar verwandelt hatte. Sie waren fassungslos gewesen, als er darauf bestanden hatte, den beiden toten Mädchen ein christliches Begräbnis zu geben und dafür sogar einen Pfarrer hinzuzuziehen. Nach einigem Suchen entdeckten sie in einer zum Pferdestall umgewandelten Kirche einen weinenden Popen mit einem Bart, der ihm bis an die Brust reichte. Mit angstvollen Blicken folgte er den Männern zum Garten des Hauses, wo bereits zwei Gräber ausgehoben waren. In seiner langen grauen Kutte, mit dem Kreuz in der Hand, fremdartige Laute mehr murmelnd als singend, gab er den Mädchen das letzte Geleit.
    »Ist nicht mal katholisch«, flüsterte einer der Württemberger, wie auch der Rest seiner Kameraden evangelisch, seinem Nachbarn zu, »irgendwie heidnisch, findest du nicht?«
    Mössner, der andächtig die Augen geschlossen hielt, bedauerte sehr, daß er sich mit dem seltsamen Pfarrer, den er für katholisch hielt, nicht verständigen konnte. Er hatte gehört, daß die Katholiken, wenn sie die Beichte ablegten, von ihren Sünden reingewaschen werden konnten. Genau so etwas brauchte er jetzt ganz dringend. Jemand, der ihn von seiner Schuld befreite. Er wußte nicht mehr, welche Sünde am schwersten auf ihm lastete, nur, daß es mit der Zurückweisung von Clärle angefangen hatte. Oder vielleicht schon im Heuschober, wo sie sich ihre Liebe gestanden hatten? Aber nein, da hatte er sich gut gefühlt und nicht schuldig.
    Aber wenn er es recht bedachte, konnte er sich auch wegen der anderen Taten nicht wirklich schuldig fühlen. Bleichle hatte er am Weg liegenlassen müssen, weil er die Munition sicher durch den brennenden Wald schaffen mußte. Sonst wären sie alle, einschließlich Bleichte, in die

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