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Die Marketenderin

Die Marketenderin

Titel: Die Marketenderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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bestürmten ihn mit Fragen, wollten wissen, was er selbst tun wolle. Mössner hatte seine Entscheidung schon lange getroffen und er teilte sie ihnen mit: »Ich kehre zu meiner Einheit zurück.«

 
Leichtsinn
    Aus dem Tagebuch von Johannes Gerter:
    September 1812
    So war nun Moskau in Trümmer versunken! – Seine prangenden Kirchen, seine tausend Paläste, alle die großartigen Anstalten für Wissenschaft und Kunst, die Werke und Denkmäler vergangener Geschlechter. Alles war ein grauenerregender Schutt- und Aschenhaufen. Nur der Kreml mit seinen stolzen Gebäuden und ein großer Theil der Vorstädte, die immer noch eine große hölzerne Stadt bildeten, blieben vom Feuer verschont. Aber drei Vierthel der übrigen Stadt waren niedergebrannt. Da hausten nun die Franzosen auf Brandstätten und unter Trümmern und suchten sich mit der ihnen angeborenen leichtsinnigen Gewandtheit in diesem schauerlichen Aufenthalt so bequem einzurichten, als die Umstände es irgend erlaubten. In den wenigen vom Brande verschonten Palästen quartirten sich Generäle und höhere Offiziere ein, das kostbare Hausgeräthe nach eigenen Gelüsten benutzend und sich an den reichen Vorräthen von fremden Weinen und Leckerbissen aller Art für die früheren Entbehrungen zu entschädigen. Im Kreml ward sogar ein französisches Theater errichtet, das denen in mancher Hauptstadt nicht nachstand; denn an dramatischen Künstlern, Tänzern und Tänzerinnen, wie auch Sängerinnen, war durchaus kein Mangel. Die Gesellschaft derselben war sogar zahlreich und ihre Garderobe konnte leicht aufs glänzendste von den nach dem Brande in großer Menge vorgefundenen reichen Stoffen aller Art ergänzt werden. Aufgefordert, reis'ten mehrere aus Frankreich der Armee nach. Andere wurden in Warschau oder Berlin, besonders hübsche Sängerinnen und Tänzerinnen, um hohen Preis engagirt ; solche reis'ten in Gesellschaft hoher Gönner oder hinter den Truppen nach Moskau. Alles bewegte sich nun in leichter Frivolität nach so ernsten Auftritten, und wirklich verlebten die französischen Offiziere aller Grade – wie der kleine Hof, der den Kaiser im Kreml umgab – ihren Séjour in Moskau ganz a leur aise , wie selbst in Paris. Die Witterung war so schön, als man es unter diesem Himmelsstrich nicht erwarten durfte. Für die Russen eine Art auffallende Erscheinung, die es gewohnt waren, mit dem Oktober Schnee fallen zu sehen und die schönen Tage, die wir bis Ende des Oktobers ununterbrochen hatten, mit Erstaunen betrachteten.
    »Wirklich, ein edles Quartier!« Oberst von Röder fuhr mit einem Finger das Muster auf der Seidentapete nach und wandte sich dann wieder Gerter zu, »aber Sie wissen, daß den Württembergern die Cassaner Vorstadt angewiesen worden ist und ich habe mich entschlossen bei den Truppen in den Holzhäusern zu bleiben.«
    Gerter schwieg enttäuscht. Er hatte keinen Augenblick daran gezweifelt, daß der Oberst, beglückt über eine so repräsentative Bleibe, in den Palast ziehen und ihn selber auffordern würde ebenfalls dort zu bleiben.
    »Aber angesichts der Tatsache, daß die Vorstadt nicht allzuweit entfernt ist und dieses Gebäude uns zur Verfügung steht, denke ich schon daran, es zu nutzen«, fuhr der Oberst fort und sah Gerter beinahe verschmitzt an. »Was halten Sie davon, Gerter, wenn Sie zusammen mit ein paar Wachen, die ich benennen werde, hier Ihr Lager aufschlagen? Wir könnten in diesen Sälen Gesellschaften geben, bisher vernachlässigte Kontakte zu den anderen Regimentern knüpfen und versuchen, uns mit den wichtigeren Bewohnern Moskaus gutzustellen.«
    Der Oberst trat vors Fenster, blickte aber schnell wieder weg, als ihm die zwei am halb verkohlten Baum hängenden Russen ins Auge stachen.
    »Lassen Sie die entfernen, egal, was Napoleon übers Exempel statuieren sagt«, murmelte er und meinte dann in fast fröhlichem Ton: »Aber natürlich würde ich es verstehen, wenn Sie keine Lust haben hier quasi den Hausmeister zu spielen …«
    »Das geht schon in Ordnung!« unterbrach ihn Gerter hastig. »Korporal Schreiber könnte mir zur Hand gehen und Felix und die Assenheimerin werden für das leibliche Wohl der Gäste sorgen.«
    So geschah es dann auch, obwohl Johannes zunächst bei einer Seite auf Widerstand stieß, von der er es am wenigsten erwartet hätte. Juliane weigerte sich in den Palast zu ziehen, erklärte, sie kenne ihren Platz und der sei keinesfalls in einem hochherrschaftlichen Schloß. Als Johannes dann etwas irritiert

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