Die Markgräfin
sind die Sachen auf den Heinz gekommen.«
Fleischmann wischte sich mit der geblümten Papierserviette über den Schnauzer.
»Na, das klingt ja höchst interessant, Frau Zehrer.
Also von einem Burgfräulein beziehungsweise einer späteren Ordensfrau stammen die Klöppeleien, sehr romantisch. Wissen Sie, wir wollen die Arbeiten sozusagen als Prunkstücke unserer Sammlung präsentieren. Es handelt sich nämlich um die ältesten Exemplare von Klöppelwerk, die wir besitzen.«
Hildegard Zehrer platzte schier vor Stolz.
»Ja, wer hätte das gedacht? Und ich hab immer zu meinem Willi gesagt, Willi, schmeiß den Krempel weg, an dem freuen sich bloß die Motten!« Sie seufzte und fegte nachdenklich einen Krümel von ihrer Bluse. »Vielleicht kann man noch mehr über das alles herausbekommen. Ich weiß, dass der Heinz immer im Stadtarchiv gesessen hat, manchmal tagelang, weswegen meine Schwägerin, die Gertraud, immer furchtbar geschimpft hat. Daheim tropfen die Wasserhähne, hat sie gejammert, und mein Heinrich durchforstet alte Urkunden! Sie hat schon was mitgemacht, die Arme! Gehen Sie doch mal ins Stadtarchiv, vielleicht finden Sie noch was.«
»Vielen Dank für den Tipp!« Fleischmann erhob sich. »Ich werd mich jetzt wohl auf den Heimweg machen. Vielen Dank für alles … «
Da allerdings hatte er die Rechnung ohne seine Gastgeberin gemacht. Hildegard Zehrer zog einen Flunsch, wie ihn ihr seliger Gatte zeitlebens gefürchtet hatte, und drückte Fleischmann mit der Bestimmtheit einer sieggewohnten Ehefrau aufs Sofa zurück. Ohne
Widerspruch zu dulden, schaufelte sie ihm noch ein drittes Tortenstück auf den Teller.
Fleischmann seufzte. Er wusste, wann Widerstand sinnlos war, und verfluchte seine Wirkung auf ältere Damen. Wie aus weiter Ferne hörte er Hildegard Zehrers schmeichelnde Frage: »Sie trinken doch noch ein Likörchen mir mir, gell?«
Heideck, Juli 1545
Eine Gruppe Berittener näherte sich in gemächlichem Trab der kleinen Burg, die wehrhaft auf einem Hügel über dem Dorf lag. Wo der Trupp an Bauern vorbeikam, die auf dem Feld arbeiteten, hielten diese inne und verbeugten sich ehrerbietig. Man erkannte das Banner, das einer der Einrosser voraustrug, und fragte sich, was den mächtigen Landesherrn wohl in die unbedeutende Herrschaft Heideck führen mochte.
Die Zugbrücke war schon heruntergelassen, schließlich befand man sich im Frieden, und der Besuch weniger Reiter verhieß keine Gefahr. Das Burgtor schwang krachend und ächzend auf, und Georg von Brandenburg trabte mit seinen Begleitern hinein in den dunklen Innenhof der Burg.
Konrad von Heideck stand am offenen Bogenfenster der Kemenate und blickte mit zusammengekniffenen
Augen auf die Ankömmlinge hinunter. Der Besuch des Markgrafen verhieß nichts Gutes, und Konrad hatte ihn schon lange erwartet. Seit seinem Verlöbnis mit Barbara von Brandenburg hatte ein Briefwechsel mit den Markgrafenbrüdern stattgefunden, der nicht gerade freundlich gehalten war. Sie hatten ihm vorgeworfen, absichtlich eine Notlage ihrer Schwester ausgenutzt zu haben, um weit über seinem Stand heiraten zu können. Er sei schließlich kein »fürstlicher Genoss«. Zuerst hatten sie ihn gebeten, von dem Versprechen Abstand zu nehmen, dann hatten sie ihm Geld geboten, dann mit kriegerischen Verwicklungen gedroht. Doch der Heidecker war standhaft geblieben. Zum einen war die böhmische Handsalbe von König Wladislaus, die ihm im Fall einer Heirat versprochen worden war, höher als die Bestechungsversuche der Markgrafen. Und zum anderen fühlte er sich trotz der Anrüchigkeit der ganzen Angelegenheit an seinen Schwur gebunden – er war schließlich kein unehrenhafter Mann, und ein Eheversprechen war ein Gelöbnis vor Gott. Außerdem hatte er an der schönen und klugen Markgräfin Gefallen gefunden, und die Vorstellung, sie in sein Ehebett zu holen, war eine der angenehmsten der letzten Jahre gewesen. Nun schien sich allerdings etwas anzubahnen, was Konrad nicht abschätzen konnte. Wenn Georg von Brandenburg-Ansbach höchstpersönlich den Weg nach Heideck auf sich genommen
hatte, dann nicht ohne etwas gegen ihn in der Hand zu haben.
Konrad von Heideck strich Bart und Kragen glatt, klopfte sich ein paar Körnchen Staub vom Wams und machte sich auf den Weg in den Burghof, um den hohen Besuch zu empfangen.
Markgraf Georg schwang sich mit einer Behändigkeit aus dem Sattel seines Schimmels, die ihm angesichts seiner stetig wachsenden Leibesfülle kaum zuzutrauen war. Er
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