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Die Markgräfin

Die Markgräfin

Titel: Die Markgräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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ist ganz interessant. Wegen der akuten Einsturzgefahr haben sie das Skelett sofort gesichert und nach Erlangen in die Gerichtsmedizin gebracht. Ich hab darum gebeten, mich als Finder über die Ergebnisse zu benachrichtigen. Gestern ist vom Institut eine Kopie des Gutachtens gekommen; ich hab’s euch extra mitgebracht.«
    Wie immer, wenn es etwas vorzulesen gab, ließ man dies den Pfarrer Kellermann tun. Der beeilte sich, seinen Mund voll Wurstsalat hinunterzuschlucken, räusperte sich und begann dann mit voll tönender Stimme.
    »Prof.Dr.Walter Habermas
Lehrstuhl für Gerichtsmedizin an der
Universität Erlangen
    Gutachten
    Bei dem von mir am 26 . 8 . 2002 untersuchten Kulmbacher Skelettfund handelt es sich um das Knochengerüst einer männlichen Leiche.
     
    Größe 1 , 77 m; Schädelumfang 54 , 6  cm.
    Alter zum Zeitpunkt des Todes ca. 30 – 40  Jahre, wie nach dem Befund des Gebisses erschließbar (Zähne bis auf einen vollständig; Gebiss intakt, nicht kariös; Abnutzungsgrad mittel).
     
    Gesundheitszustand: Keine erkennbaren Krankheiten; an den Fingergelenken beginnende Gicht. Offenbar fachmännisch ausgeführte Amputation des linken Unterschenkels 6  cm über dem Knie mit ausgeprägter Kallusbildung – die Operation wurde mindestens um 1 – 2  Jahre überlebt.
     
    Todesursache: Stichwunden. Am linken Schlüsselbein sowie an mehreren Rippen auf der linken Brustseite ließen sich röntgenologisch Einkerbungen bzw. Abschabungen feststellen, die vermutlich durch Stiche mit einem scharfen Gegenstand hervorgerufen wurden. Zahl der Einkerbungen: 8 . Keine Kallusbildung. Ort und Lage der Einstiche deuten darauf hin, dass der Tod
durch Verletzung der Lunge, evtl. auch des Herzens eingetreten sein dürfte. Ähnliche Einkerbungen fanden sich ebenfalls an den Fingerknochen von Mittel-, Zeigeund Ringfinger der linken Hand und am linken Unterarmknochen.
     
    Ein natürlicher Tod ist nach diesem Befund auszuschließen.
     
    Das unter dem Skelett aufgefundene Metallteil ließ sich nach Entfernen des Flugrostes ohne Schwierigkeiten in mehrere der Knocheneinkerbungen einfügen. Es handelt sich dabei vermutlich um die abgebrochene Spitze eines mittelgroßen Messers, das somit als Mordinstrument identifizierbar ist.
     
    Der am rechten Mittelfinger getragene Ring wurde nach Entfernen gröberer Beläge und Verschmutzungen ohne weitere Bearbeitung an die Landesstelle für Nichtstaatliche Museen in München zur Untersuchung gesandt. An ihm ließen sich keinerlei gerichtsmedizinisch relevante Besonderheiten feststellen.
     
    Alter des Skelettfundes gemäß Knochenanalyse: ca. 400 – 500  Jahre.
     
    Erlangen, 27 . 8 . 2002
    gez. Habermas
     
    Anlagen: 38 Röntgenaufnahmen, chem. Knochenanalyse, Vermessungsdaten«
    Götz, Kleinert und Kellermann saßen sprachlos da.
    »Na, da bleibt euch die Spucke weg, was? Morgen steht’s in allen Zeitungen.« Haubold blickte triumphierend in die Runde.
    Götz fasste sich als Erster wieder. Sein Bärtchen zitterte, wie immer, wenn er aufgeregt war.
    »Mein lieber Herr Gesangverein, das ist ja ein Ding! Ein Mord im Geheimgang der Plassenburg! An einem Einbeinigen! Hitchcock lässt grüßen.« Er schüttelte ungläubig den Kopf. »Und gleich acht Einstiche – da muss jemand eine ziemliche Wut gehabt haben! Das schaut ja direkt nach einem – wie sagt man? – ›Mord im Affekt‹ aus.«
    »Haubold, Sie werden noch berühmt.« Pfarrer Kellermann schlug dem Kastellan mit seiner Riesenpranke auf die Schulter. »Erst der eingemauerte Säugling, und jetzt stoßen Sie noch auf einen waschechten Kriminalfall – fehlt bloß noch, dass es da irgendwie einen Zusammenhang gibt!«
    »Langsam, langsam, Herr Pfarrer, bis jetzt kennen wir ja weder die Identität des Kindes noch die des Mordopfers. Allerdings – die Dinge könnten sich zeitlich nahe beieinander abgespielt haben … «
    »Genau!« Kleinert hob den Zeigefinger. »Das Kind haben wir ja schon ins 16 . Jahrhundert eingeordnet, und zwar vermutlich vor den Fall der Plassenburg 1554 . Und wenn der Gang aus der Zeit vor dem Neuaufbau der Festung stammt, dann muss der
Mann – wenn das Skelett tatsächlich vier- bis fünfhundert Jahre alt ist – ungefähr um die gleiche Zeit umgebracht worden sein.«
    »Somit, meine Herren«, resümierte Götz und legte dabei die gespreizten Fingerspitzen links und rechts neben seinem Bierglas auf die Tischplatte, »suchen wir nicht mehr nur nach einer Frau und einem Kind auf der Burg, sondern auch noch nach

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