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Die Markgräfin

Die Markgräfin

Titel: Die Markgräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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verschnürt, das sorgsam zu einer Schleife gebunden war. Der junge Historiker zog die Schleife auf und faltete den Stoff vorsichtig auseinander. Was dann zum Vorschein kam, machte ihn erst einmal ratlos. Drinnen lagen Klöppelarbeiten, die völlig anders aussahen als alles, was er bisher kannte. Zunächst, und das war klar zu erkennen, waren die Sachen deutlich älter. Das
Garn war besonders dünn und hatte sich mit der Zeit gelblich verfärbt. Und dann die Technik, die Muster, die Anordnung der Fäden, alles war irgendwie seltsam, ihm gänzlich unbekannt. Fleischmann war sich bewusst, dass er mit diesem feinen Gespinst etwas Besonderes in der Hand hielt. Da musste der Rat des Experten her! Und wer kannte sich besser aus als Stilla Spachmüller, die schon als Kind bei den Marienburger Klosterschwestern Klöppeln gelernt hatte und seither Generationen von Abenberger Schülerinnen als Handarbeitslehrerin unterrichtet hatte?
    »Frau Spachmüller, können Sie mal kommen?«
    Die Gerufene wieselte prompt in Fleischmanns Büro. Ihrem rosa geblümten Angorapullover entströmte ein durchdringender Maiglöckchenduft, als sie sich zusammen mit Fleischmann über die Klöppelsachen beugte, die dieser gerade auf seinem Schreibtisch auslegte.
    »Allmächt, so was Schönes!«
    Die alte Dame war sichtlich beeindruckt. Mit spitzen Fingern hob sie ein rundes Deckchen hoch und begutachtete es ausgiebig.
    »So muss man vor langer, langer Zeit geklöppelt haben. Schauen Sie sich das an – ich wüsste gar nicht, wie man dieses Muster arbeitet. Das muss eine uralte Technik sein, die längst in Vergessenheit geraten ist. Ich habe noch nie etwas Ähnliches gesehen. Sehen Sie, wie kunstvoll diese Blütenrosette gemacht ist?
Und das Herz da? Wunderschön! Und sie hat ein außergewöhnlich feines Garn benutzt. So was nimmt man heute gar nicht mehr, weil es so schwierig zu klöppeln ist und leicht reißt.«
    Fleischmann hatte indes einen Zettel entdeckt, der ganz unten im Päckchen gelegen hatte. Darauf stand kurz und bündig in Maschinenschrift: »Klöppelarbeiten, Kulmbach, wahrsch. 16 . Jhd.«
    »Das stammt aus dem sechzehnten Jahrhundert, schreiben die vom Auktionshaus Boltz. Und dass es aus Kulmbach kommt.«
    Stilla Spachmüller nahm ein Stück nach dem anderen auf und steigerte sich dabei in echte Begeisterung.
    »Das sind die ältesten Arbeiten, die ich je gesehen habe, und zugleich die schönsten. Ganz was Filigranes! Kulmbach, sagen Sie? Hm. Das erinnert mich aber eher an Klöppeltechniken, die ich vom Böhmischen her kenne. Ach Gottele, schauen Sie bloß, Herr Fleischmann, ein Babymützchen! Niedlich!«
    Fleischmann grinste etwas schief. »Ja, goldig! Ähem, wissen Sie was, Frau Spachmüller, ich habe das Gefühl, das hier könnte neben den Abenberger Arbeiten der Glanzpunkt unserer neuen Ausstellung werden, was meinen Sie?«
    Stilla Spachmüller drehte und wendete immer noch entzückt das Babymützchen in der Hand.
    »Obacht!« Fleischmanns Worte rissen sie aus ihren
Gedanken. Das Mützchen war ihr unter den Händen in zwei Teile zerfallen.
    »Heiliger Strohsack! Allmächt, da kann ich jetzt aber nichts dafür! So fein wie Spinnweben, herrje! Herr Fleischmann, wirklich, ich hab’s gar nicht arg angefasst!« Ihr kamen fast die Tränen.
    Fleischmann rollte mit den Augen. »Können Sie das wieder irgendwie zusammennähen, ohne dass man was sieht?«
    Die Miene der alten Dame hellte sich sofort auf. »Na ja, ich denke schon. Wenn ich ein dünnes beiges Garn nehme, fällt es vermutlich gar nicht auf. Ja, das geht bestimmt. Und wenn es in der Vitrine liegt, merkt das von weitem keiner.«
    Fleischmann überlegte.
    »Wir müssen unbedingt verifizieren, ob die Altersangabe stimmt, die das Auktionshaus da mitgeliefert hat.«
    Die alte Dame legte die Teile des Babymützchens mit einem Seufzer beiseite. Doch plötzlich stutzte sie. Sie griff sich ein Deckchen und suchte nach einer bestimmten Anordnung der Fäden. Dann nahm sie sich noch einmal ein Stück des Mützchens und verglich, danach inspizierte sie eins nach dem anderen die Teile, die noch auf dem Schreibtisch lagen.
    »Ja, so was. Herr Fleischmann, schauen Sie, was ich gefunden hab! Nein, so müssen Sie es drehen. Und, was sehen Sie?«
    Fleischmann wusste nicht, wonach er suchen sollte. »Wieso, was ist denn da?«
    »Na, hier! In der Rosette! Ganz deutlich, ein winziges ›B‹! Mit einem Krönchen drüber!«
    »Jetzt sehe ich es auch. Mensch, Sie haben ja Adleraugen, Frau Spachmüller!

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