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Die Mars-Chroniken

Die Mars-Chroniken

Titel: Die Mars-Chroniken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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sie verbrannten den Himmel und ließen den Herbst zu Frühling werden.
    Männer in Abendkleidung verließen die Raketen, und ihre Frauen folgten ihnen, die Frisuren sorgfältig aufgetürmt.
    »Das ist also Ascher!«
    »Aber wo ist die Tür?«
    In diesem Augenblick erschien Stendahl. Die Frauen lachten und redeten durcheinander. Mr. Stendahl hob eine Hand, um sie zum Schweigen zu bringen. Er wandte sich um, blickte zu einem hohen Schloßfenster auf und rief:
    »Rapunzel, Rapunzel, laß dein Haar herunter!«
    Und oben lehnte sich ein wunderschönes Mädchen in den Nachtwind und ließ ihr goldenes Haar herab. Und das Haar faserte auseinander und wurde zu einer Leiter, auf der die Gäste lachend in das Haus stiegen.
    Welch berühmte Soziologen! Welch kluge Psychologen! Welch außerordentlich wichtige Politiker, Bakteriologen und Neurologen! Da standen sie, eingeschlossen von dumpfen Mauern.
    »Seien Sie herzlich willkommen, Sie alle!«
    Mr. Tryon, Mr. Owen, Mr. Dunne, Mr. Lang, Mr. Steffen, Mr. Fletcher und zwei Dutzend mehr.
    »Kommen Sie herein, kommen Sie!«
    Miß Gibbs, Miß Pope, Miß Churchill, Miß Blunt, Miß Drummond und zahlreiche andere Frauen in strahlender Aufmachung.
    Wichtige, sehr wichtige Leute waren das, Mitglieder der Gesellschaft zur Verbannung fantastischer Literatur, Befürworter des Verbots von Hexennacht und Guy-Fawkes-Tag, Fledermausmörder, Bücherverbrenner, Stützen der Moral; gute, saubere Bürger, sie alle – Bürger, die gewartet hatten, bis die letzten toten Marsianer fortgeräumt und begraben waren, bis die Städte erbaut und die Landstraßen repariert und alles sicher gemacht worden war. Dann erst, nachdem ein großes Maß an Sicherheit erreicht war, kamen die Spielverderber, die Menschen mit Quecksilber in den Adern und jodfarbenen Augen; sie kamen, um ihre Moralprinzipien zu verfechten und jedermann ihre Vorstellung des Guten aufzudrängen. Und sie waren seine Freunde! Ja, umsichtig hatte er jede dieser Persönlichkeiten im letzten Jahr auf der Erde kennengelernt und sich zum Freund gemacht!
    »Willkommen in den Landen des Todes!« rief er.
    »Hallo, Stendahl, was soll das alles?«
    »Sie werden sehen. Ziehen Sie sich um. Sie finden die Kabinen hier drüben. Ziehen Sie die Kostüme an, die darin auf Sie warten. Männer auf dieser Seite, Frauen auf der anderen.«
    Die Leute sahen sich unsicher an.
    »Ich weiß nicht, ob wir bleiben sollen«, sagte Miß Pope. »Das alles gefällt mir nicht. Es ist fast wie – Blasphemie.«
    »Unsinn – ein Kostümball!«
    »Kommt mir trotzdem unrecht vor.« Mr. Steffens rümpfte die Nase.
    »Nun stellen Sie sich nicht so an!« Stendahl lachte. »Vergnügen Sie sich! Morgen ist alles vorbei. Gehen Sie in die Kabinen!«
    Das Haus sprühte vor Farbe und Leben; Harlekine rannten hin und her mit ihren Schellenkappen, und weiße Mäuse tanzten winzige Quadrillen zur Musik von Zwergen, die mit ihren winzigen Bögen über winzige Geigen strichen, und Flaggen flatterten an verkohlten Balken, während dunkle Wolken von Fledermäusen vor gähnenden Öffnungen schwebten, aus denen Wein hervorströmte – kühler, köstlicher, schäumender Wein. Ein Bach zog sich durch die sieben Räume des Maskenballs. Man nippte daran und stellte fest, daß er aus Sherry war. Die Gäste strömten aus den Kabinen, in ein anderes Zeitalter versetzt, die Gesichter hinter Dominos verborgen, wobei schon das Aufsetzen der Maske ihnen das Recht nahm, mit Fantastik und Horror zu hadern. Die Frauen schwebten in roten Kleidern durch die Räume und lachten, die Männer tanzten formvollendet. Und an den Wänden lauerten Schatten, deren Ursprung nicht zu erkennen war, und hier und dort hingen Spiegel, in denen sich nichts spiegelte. »Vampire, wir alle!« lachte Mr. Fletcher. »Tot!«
    Sieben Räume gab es, von verschiedener Farbe – einer war blau, der andere purpur, der dritte grün, der vierte orange, dann ein weißer Raum, der sechste war violett und der siebente mit schwarzem Samt ausgeschlagen, und im schwarzen Raum stand eine ebenholzschwarze Uhr, die laut die Stunden schlug. Durch all diese Räume eilten die Gäste, nun doch betrunken, und mischten sich unter die mechanischen Fantasiegestalten, mischten sich unter die Haselmäuse und verrückten Hutmacher, die Trolle und Riesen, die schwarzen Katzen und weißen Königinnen, und unter ihren tanzenden Füßen vibrierte der Fußboden im Rhythmus eines gewaltigen, verborgenen, gefährlichen Herzschlags.
    »Mr. Stendahl!«
    Ein

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