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Die Mars-Stadt

Die Mars-Stadt

Titel: Die Mars-Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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Raumfahrzeugs kam dem Fenster
entgegengerast. Ich verengte die Augen zu schmalen Schlitzen,
doch Meg passte unsere Geschwindigkeit an. Ich sah, wie die Arme
und Greifer des Robots sich vorstreckten. Als sie Halt gefunden
hatten, veränderte Meg den Blickwinkel und trat
anschließend aus dem Rahmen.
    Sie setzte sich neben mir aufs Bett, wo wir uns ebenso
verzweifelt aneinanderklammerten wie der Robot an das Raumschiff.
Der Himmel drehte sich unablässig. Die weiße Linie des
Treibstoffjets jagte vorbei, immer näher und näher.
    »Ich versuche mal, die Rotation auszuregeln«,
sagte Meg. Sie blickte ins Leere, wie durch pure Willenskraft
stabilisierte sich das Bild, und auf einmal blickten wir in
Flugrichtung. Der regenbogenfarbene Ring füllte fast das
gesamte Blickfeld aus, sein blaues Halo flackerte immer wieder
auf, wenn einzelne Streben hineinstürzten. Am Rand sah ich
Makros, die von den Steuerdüsen des Raumschiffs
weggeschleudert wurden. Ob Zufall oder Absicht, jedenfalls
stürzten sie der Oberfläche des Jupiter entgegen. Der
Planet, der sich aufgrund ihrer Aktivitäten bereits merklich
verändert und dessen Roter Fleck sich wie bei einem um sich
greifenden Ausschlag vervielfältigt hatte, würde diese
Schneeflockengebilde aufnehmen, sie erwärmen und vielleicht
zu neuem, unbegreiflichem Leben erwecken.
    In diesen letzten Minuten im Sonnensystem sah ich mich in
meiner ersten Annahme bestätigt. Die Bewusstseine in den
Makros waren in eine selbstgestellte Falle getappt, Opfer eines
Wagnisses, das sie bewusst eingegangen waren – wie sollte
es auch anders sein? Denn in dem Maße, wie sich ihre
Denkprozesse beschleunigt hatten, war es auch zu einer
Beschleunigung ihrer subjektiven Zeit gekommen, was Auswirkungen
auf den Raum hatte. Selbst interplanetarische Entfernungen hatten
das Ausmaß unüberbrückbarer Abgründe
angenommen, deren Überwindung eben solche Zeiträume in
Anspruch genommen hätte wie für uns – ohne das
Wurmloch – interstellare Raumflüge. Ihre virtuellen
Wirklichkeiten hatten sie schließlich in jeder Beziehung
stärker absorbiert als das rasch zurückweichende reale
Universum.
    Der Zeitrahmen ihres großen Projekts sprengte ihre
Aufmerksamkeitsspanne und überstieg die Lebensdauer aller
bekannten menschlichen Zivilisationen. Sie hatten unsere
Schwächen ebenso geerbt wie unsere Stärken, hatten sie
vervielfältigt und beide beschleunigt. Die auf Grund ihrer
Beschränktheit besser an den Weltraum angepasste Menschheit
würde sie überleben.
    Und ich auch. Auf eine viel unmittelbarere Weise als
beabsichtigt hatte ich es auf die Raumschiffe geschafft.
     
Ding-dong ertönt der Höllenglocken Ton
für dich, doch nicht für mich.
O Tod, wo ist dein Lohn?
Wo, Grab, ist dein Sieg?
     
    Als das Vorderteil des Schiffes, an dem wir uns
festklammerten, in das Wurmloch eindrang, nahm die
Tscherenkow-Strahlung rasch an Intensität zu, bis das blaue
Leuchten kaum mehr erträglich war.

 
19    Die
Siebplatten
     
     
    Sie verbrachten die Nacht im Tunnel, bei den respektvollen
Robots. Mittels Kurzwellenkommunikation mit Ihresgleichen hatten
die Robots in Erfahrung gebracht, dass Jay-Dubs Raupenfahrzeug
durch eine Nuklearexplosion zerstört worden war. Sie
berieten ernst darüber, während die Menschen zu
schlafen versuchten. Das letzte, was Dee sah, bevor sie in einer
vergleichsweise trockenen Nische und mit Ax in den Armen
einnickte, war das Leuchten in den Augen der Robots, als sie den
Glaubenssatz aufstellten, Jay-Dub sei nicht tot.
    Im Morgengrauen standen die Menschen auf und legten die
Robotverkleidungen an. Deren Hauptzweck bestand darin, Beobachter
aus der Luft in die Irre zu führen; am Boden, aus der
Nähe, vermochten sie niemanden zu täuschen.
    »Woher wollt ihr eigentlich wissen, dass das alles
nötig ist?«, grummelte Ax. Er war sauer, weil seine
Robothülle aufgrund ihrer geringen Größe noch
lächerlicher als die anderen wirkte. Er sah aus wie ein
Abfallkorb auf Beinen.
    »Jay-Dub hat mir gesagt, was wir tun sollen«,
antwortete Dee, deren Stimme durch den Lautsprechergrill des
Helms tief und fremd klang.
    »Wann?«
    Sie hob scheppernd die Schultern. »Als wir gemeinsam in
seiner VR waren«, sagte sie. »Und kurz vor dem
Aussteigen habe ich mich noch mal eingeklinkt. Er gab mir genaue
Anweisungen für den Fall, dass er es nicht schaffen
würde.«
    »Und du willst uns nichts darüber sagen?«,
fragte Tamara, die am

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