Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mars-Stadt

Die Mars-Stadt

Titel: Die Mars-Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
Vom Netzwerk:
Umgebung war einem Planeten
nachgebildet, den sie in dreißig Lichtjahren Entfernung
ausgemacht hatten. Wenn die Sonde an ihm vorbeiflöge und
ihre Daten übermittelte, würde sein Erscheinungsbild
vielleicht angepasst werden.
    Während ich mich umschaute, verloren sie das Interesse
daran. Konsequent bis zum letzten, löschten sie den Planeten
mittels eines Aufflammens der Sonne aus ihrem Gedächtnis.
Ich schritt durch die alles einhüllende Nova, den
Graupelschauer der sich in Binärcode auflösenden
falschen Wirklichkeit hindurch, und gelangte in einen riesigen
Saal. Im Halbdunkel eines heidnischen Tempels saßen dort
Riesen mit schweren Lidern, athletische Marmorgötter in
Buddhapose. Dekadent bis zur Verwesung, in einem Zustand
abgründiger Ekstase und Erschöpfung begriffen.
Unermüdliche Mechanismen, der bewussten Kontrolle der Riesen
entzogen, setzten die unerbittliche, sinnlose Beschleunigung der
Rechengeschwindigkeit fort. Megs Betriebssystem spürte den
Veränderungen Sekunde für Sekunde nach.
    Ehe das letzte Echo meiner Schritte in dem Saal verklungen
war, zerfielen die Riesen zu Staub. Draußen, in einer
weiteren virtuellen Umgebung, wurden vor dem Hintergrund sich
unablässig wandelnder planetarischer Landschaften in
Sekundenschnelle Städte erbaut und zerstört. Alle
menschlichen Analogien verflüchtigten sich, jedes
menschliche Interesse versiegte. Ich schwebte durch endlose,
geometrisch abstrakte Gänge, während haarspalterische
Argumente mein Bewusstsein in Anspruch nahmen, als lauschte ich
Theologen, die in einer Hölle eingekerkert waren, die sie
allein verdient haben konnten.
    Eine klagende weibliche Stimme rief mich von hinten an. Sie
wurde mit der Zeit lauter, doch ich achtete nicht darauf, sondern
bemühte mich, diesen fürchterlichen Disput zu
begreifen. Ich war im Begriff, etwas von Ausschlag gebender
Bedeutung zu erfahren. Die Stimme schrie mich an.
Schließlich wandte ich mich um. Die Anstrengung des an der
Grenze seiner Kapazität arbeitenden Betriebssystems war Meg
ins Gesicht geschrieben.
    »Komm raus!«, sagte sie. »Komm auf der
Stelle raus!« Ich blickte sie verwundert an. Alles
verlangsamte sich, die Gänge nahmen eine weiße Farbe
an, bis sie den kasachischen Schneewehen glichen. Meg packte mich
mit jäher Ungeduld bei der Hand und schob mich auf die Wand
zu. Die Wand stürzte ein, und ich war…
     
    … draußen und entfernte mich vom Makro. Im selben
Moment stürzte ich in das Zimmer zurück, in das
Bewusstsein meiner Maschine und in die herzliche Umarmung meines
geliebten Betriebssystems, meines Sukkubus und meines
Ersatz-Seelenverwandten. Ich hatte feuchte Augen, und mir
klingelten die Ohren.
    Mir wurde bewusst, dass Alarmglocken schrillten.
Draußen, in Richtung des Rings, blitzte etwas auf, und ein
Leuchtfeuer blinkte. Das Leuchtfeuer näherte sich.
    »Was geht da vor?«
    Meg blickte mich erstaunt an. »Ach, Jon Wilde«,
sagte sie. »Du warst ein ganzes verdammtes Jahr weg,
Realzeit! Die Makros sind entweder wahnsinnig geworden, oder sie
sterben.«
    Ein Jahr. »Was ist passiert?«
    Meg fasste mich bei der Hand. »Später«, sagte
sie. »Wir müssen los. Ich bringe uns raus.«
    Sie trat in den Rahmen hinein. Mit erschlafftem Gesicht und
anscheinend nicht einmal mehr fähig, einen Heimtrainer zu
bedienen, setzte sie uns Richtung Leuchtfeuer in Bewegung.
    Ich sah, was das Leuchtfeuer markierte.
    Aus dem Ring hervorkommend, näherte sich uns das wohl
plumpeste Gebilde, das je als Raumschiff hatte herhalten
müssen, ein zusammengeschweißtes und -genietetes
Konglomerat von Raumstationen und Habitaten von mindestens zwei
Kilometern Länge und einem halben Kilometer Durchmesser an
der dicksten Stelle. Hätte man einen Mir-Verschnitt aus den
Anfängen der Raumfahrt zahllose Male entgegen allen Regeln
der Eleganz modifiziert, wäre etwas Ähnliches dabei
herausgekommen. Das Gebilde rotierte langsam und steuerte einen
gefährlichen Kurs entlang des nach wie vor tödlichen
Jets, der Nabelschnur der Sonde.
    Sämtliche Robots schossen dem Schiff entgegen. Wenn eine
der winzigen Maschinen es erreichte, klammerte sie sich an einem
der unzähligen Schrottteile fest. Auch die Makros bewegten
sich, allerdings anders als zuvor. Leblose, erstarrte
Hüllen, schwebten und torkelten sie umher, während das
gewaltige Raumfahrzeug mit brutaler Majestät durch das
Gebilde brach, an dem wir gearbeitet hatten.
    Die Oberfläche des

Weitere Kostenlose Bücher