Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mars-Stadt

Die Mars-Stadt

Titel: Die Mars-Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
Vom Netzwerk:
überprüfen
– die verantwortlichen Techniker wurden ihrerseits schon
vor längerer Zeit hochgeladen.«
    »Also, ich kann mich wohl kaum über meine Existenz
beklagen«, sagte ich. »Aber ich will aus dieser
Zwangsarbeitertruppe raus, wenn du nichts dagegen
hast.«
    Reid lächelte, als wäre er erleichtert.
    »Natürlich«, sagte er.
    »Wenn dieser Begriff hier angebracht ist.«
    Er presste die Lippen zusammen. »Hmm.« Er streckte
die Hand aus und tippte einen Code ein.
    »Okay, genug von mir geredet«, sagte ich.
»Was hast du mit den Toten auf der Bank gemeint? Was ist
mit Annette und Myra und… all den anderen?«
    Reid blickte an der Kamera vorbei, als behielte er einen
anderen Monitor im Auge. Die Aktivität im Hintergrund hatte
zugenommen und einen Anstrich von Dringlichkeit bekommen.
    »Ich glaube, Annette befindet sich in Sicherheit«,
meinte er zerstreut. »Sie kam bei den…
äh… Unruhen ums Leben, wollte aber eine Kopie
anfertigen lassen. Wenn sie rechtzeitig damit fertig geworden
ist, befindet sie sich in der Bank, genau wie du. Wie Millionen
anderer Menschen. Das Verfahren war damals nicht mehr teuer. Die
Menschen legten regelmäßig Backups an. Um ehrlich zu
sein, wissen wir nicht genau, wer alles da drin ist. So viel ich
weiß, sind Myra und deine Tochter auf der Erde geblieben.
Weiß der Himmel, wie es dort jetzt
aussieht…«
    »Der Kontakt ist abgebrochen?«
    »Die verfluchten Erdhändler haben Angst, sie
boykottieren uns – alles, was du auf dem Band gesehen hast,
war entweder altes Material oder gefälscht. Nein, wir haben
keinen Kontakt mehr.« Plötzlich sah er mir unmittelbar
in die Augen. »Hör mal, Wilde, ich muss los. Du bist
jetzt frei, ich habe deine Beschränkungen aufgehoben.«
Er stand auf und beugte sich einer Person außerhalb des
Aufnahmebereichs entgegen. Die folgende Unterhaltung konnte ich
nicht hören. Dann wandte Reid sich wieder zu mir um und
blickte mich mit jäher Verschlagenheit an.
    »Wilde?«, sagte er. »Immer noch da? Kannst
du mir einen Gefallen tun? Sieh doch mal eben nach, was im
nächsten Makro vorgeht. Es gibt da ein
Problem…«
    Der Bildschirm wurde grau.
    »Mist!«, sagte ich.
    Vor mir stand Meg, ein besorgtes Gespenst. »Was sollen
wir tun?«
    Ich zuckte die Achseln. »Wir tun, was Reid gesagt hat.
Oder hast du einen besseren Vorschlag?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    Ich trat in den simulierten Simulationsrahmen hinein, und Meg
folgte mir. Die Überlappung unserer Körperbilder
erzeugte kurzzeitig ein Gefühl von Desorientierung, doch
dann verschmolzen wir miteinander und mit der Maschine. Meg
verwandelte sich in eine Stimme hinter meiner Schulter, in einen
Schatten im Augenwinkel.
    Ich hatte jetzt volle Kontrolle über den Robot –
Reid hatte offenbar das Unterprogramm ausgeschaltet, das mich
außerhalb der Arbeitszeiten und von Notfällen
abgesehen von der Motorsteuerung trennte – und flog
ungehindert durch das Gebilde auf den Makro zu, mit dem ich
Kontakt gehabt hatte (jetzt erkannte ich ihn wieder). Ein paar
andere Robots gingen ihren Tätigkeiten nach, andere
schwebten in Ruhestellung umher oder klammerten sich wie
schlafende Vögel an die Streben. Im regenbogenfarbenen Ring
des Malley Mile war ein schwaches blaues Leuchten zu erkennen:
die von der Sonde zurückgebliebene
Tscherenkow-Strahlung.
    Ich packte die Strebe, rückte näher an den Makro
heran und streckte mein Gesicht in sein eiskaltes Feuer.
     
    Alles ist Analogie, Interface; sogar das Ich hat Fenster, die
Geräusche und Bilder in unseren Köpfen sind Icons auf
einem Bildschirm, hinter dem eine Maschine, das Bewusstsein
steckt. So verhält es sich im natürlichen Körper
und auch im künstlichen und vervielfältigt in der Welt
des Makroorganismus.
    Meg raubte Rechnerleistung, eine Art Time-Sharing unter
größeren Geistern. Für mich, für uns, war es
unabdingbar, uns einen minimalen, symbolischen Überblick
über die Vorgänge zu verschaffen, doch dies erforderte
seinen Tribut. Bei mir lief alles langsamer ab als bei den
Schnelldenkern, langsamer noch als langsam. Ich wandelte als
unsichtbares Gespenst umher, ein Schatten in den Träumen des
Posthumanen.
    Ich gelangte als Erstes auf den großen Planeten. Von dem
Hang aus, auf dem ich auch beim ersten Mal gestanden hatte,
beobachtete ich den Wechsel der Jahreszeiten – Winter und
Frühling, Sommer und Herbst –, ein Hin und Her wie das
Spiel der Wellen am Strand. Die

Weitere Kostenlose Bücher