Die Mars-Stadt
Dee mit einer angedeuteten Verneigung eine Zigarette an.
»Übrigens sieht es dir auch nicht ähnlich, den
Heldentod zu sterben«, fuhr er fort. »Ich muss sagen,
das hat mich schwer beeindruckt, obwohl ich wusste, dass du eine
Kopie gemacht hast.«
Dee musterte ihn schweigend, dann sagte sie: »Wir
unterhalten uns später.«
Ihre Haltung und ihr Gesichtsausdruck veränderten sich
leicht.
»Hallo, Dave«, sagte ihre Stimme. »Ich
hätte wissen müssen, dass du mich zu gut
kennst.«
»Mist«, sagte Wilde. »Du Schuft.«
Reid lachte, während sich in Wildes Miene Begreifen und
in den Gesichtern von Ax und Tamara Verwirrung
widerspiegelte.
»Wilde, oder Jay-Dub, wenn man so will, hat sich in
ihren Rechner hochgeladen«, erklärte Reid, als handele
es sich um eine Selbstverständlichkeit.
»Und Meg auch«, erklärte Dees Stimme.
»Es ist noch nicht mal eng geworden.«
Reid wandte sich seufzend an Ax und Tamara.
»Warum macht ihr als Menschen eigentlich da mit?«,
fragte er. »Was hat euch diese Maschine oder
jene…« – er zeigte auf Wilde, der ganz langsam
und vorsichtig die Packung Zigaretten aus der Tasche nahm –
»erzählt? Dass Informationen frei sein wollen?«
Er lachte.
»Wenn ihr das wollt, solltet ihr auf der Stelle nach
Ship City zurückkehren – dort herrscht Aufruhr, der
Streit artet zu Handgreiflichkeiten, wenn nicht gar
Schusswechseln aus. Genau das, was ihr immer gewollt habt
-Anarchie auf den Straßen! Oder hat sie euch erzählt,
sie könne die Toten wieder zum Leben erwecken? Was
könnte das Risiko rechtfertigen, die Menschen durch
Flatliner zu ersetzen?«
»Was sind eigentlich Flatliner?«, fragte Wilde.
Unter den aufmerksamen Blicken der Bewaffneten hatte er
mittlerweile die Zigaretten hervorgeholt und steckte sich eine
an, dann reichte er die Packung zerstreut herum. Reid sah ihm
dabei demonstrativ gleichgültig zu.
»Du solltest es eigentlich wissen«, sagte er.
»Automaten, die Bewusstseinsprozesse nachahmen, aber selbst
kein Bewusstsein besitzen. Keine Persönlichkeit.
Keine… Seele.«
Dee setzte zu einer Bemerkung an, doch Wilde kam ihr
zuvor.
»Ach, komm schon, Dave«, sagte er.
»Darüber können wir später reden, bis der
Whisky alle ist, so wie früher. Gedanken über
nichtmenschliches Bewusstsein solltest du dir hingegen schon
machen, aber das betrifft keinen der Anwesenden, sondern vielmehr
die, die hierher kommen werden, wenn sie die andere Seite des
Malley Mile erreicht haben. Dann wirst du erleben, wie das
Universum der Flatliner aussieht. Und zwar von innen.«
Die Verachtung in Reids Gesicht machte Argwohn Platz.
Dee ergriff wieder das Wort. »Deshalb müssen wir
die Schnelldenker aktivieren«, sagte ihre Stimme. »Um
zurück zu finden.«
»Aber ihr kennt den Rückweg«, sagte Reid an
Dee gewandt, aber so, als spräche er zu jemand anderem.
»Deshalb habe ich dich ja überhaupt erst in den Makro
hineingeschickt, nämlich um herauszufinden, wie wir das
bewerkstelligen können.«
»Was ich weiß, was ich herausgefunden habe, ist
der Weg hierher.« Ihre Stimme klang
ungewöhnlich rau, da sie die tieferen Register ihrer
Stimmbänder überbeanspruchte. Dann wurde die Stimme
wieder höher. »Aber der Weg hierher und der
Rückweg sind nicht das Gleiche, und wir müssen
zurückkehren. Und zwar durch das Tochterwurmloch.«
20 Der
Steinkanal
Tochterwurmlöcher. Ihr wisst darüber Bescheid. Ich
wusste damals nichts.
»Daraus sind wir hervorgekommen«, erklärte
Meg. »Reid hat es gebaut.«
Ich klammerte mich zusammen mit all den anderen Robots am
Raumschiff fest wie ein Dritter-Klasse-Passagier an einem
Dritte-Welt-Zug. Das Schiff war in einem unbekannten Teil des
Weltraums herausgekommen und schwenkte nun in einen Orbit um
einen Planeten ein. Hinter uns schrumpfte das Tochterwurmloch
oder was auch immer auf die Größe eines billigen
Armreifens. Das Sonnensystem befand sich wahrscheinlich auf der
anderen Seite. Auf dieser Seite…
»Da weint doch die Göttin«, sagte ich.
»Deswegen haben wir die Erde verlassen?« Ich hatte
mir wohl Hoffnungen auf den großen Planeten gemacht,
auf die Welt meiner Träume.
»Er ist bewohnbar«, sagte Meg. Sie manifestierte
sich in meinem Blickfeld als selbständige Wesenheit. Sie
turnte auf der Hülle herum, ihr durchsichtiges Hemd
flatterte im imaginären Fahrtwind. Sukkubi haben sich noch
nie viel aus der Physik der Realwelt gemacht.
»Bewohnbar?«
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