Die Mars-Stadt
Streifenrobot. Er war kleiner und gedrungener als
Jay-Dub, jedoch ähnlich geformt. Tamara hatte zunächst
aufgeschrien, als sie ihn erblickte, fasste sich aber wieder, als
der Robot die Beine streckte und ihnen entgegensah.
»Der Identifizierungscode entspricht dem eines Bootes,
das dazu benutzt wurde, eine Ermittlung zu behindern«,
sagte er. »Wisst ihr etwas darüber?« Die Frage
wurde auf mehreren Mikrowellenkanälen und in verschiedenen
Codes wiederholt, doch davon bekam allein Dee etwas mit. Die
akustische Frage hatte er aus purer Höflichkeit
gestellt.
Wilde ging am Streifenrobot vorbei, ohne ihn zu beachten.
Tamara und Ax folgten ihm nach kurzem Zögern. Dee ging
mehrere Schritte hinter ihnen, ihr unsicherer Gang war kaum
gespielt. Der Rumpf des Streifenrobots schwankte, als er den
Metallgestalten nachsah. Als Dee an ihm vorbeikam, trat sie gegen
eines seiner Beine. Der Robot kippte ins Wasser und versank.
Damit war das erledigt. Sie stiegen ins Boot, legten ab und
steuerten den Kanal entlang. Sobald sie in der Kabine waren,
zogen sie die Rüstungen aus. Ax wollte die verhasste
Verkleidung über Bord werfen, Dee aber fiel ihm in den
Arm.
»Wir werden das Metall noch brauchen«, sagte
sie.
Die Sonne war längst untergegangen, als sie ihr Ziel
erreichten. Am Ufer war ein kleiner Pier, und in den Fels der
steilen, kahlen Schlucht in den Madreporenbergen waren Stufen
geschnitten. Dee vertäute das Boot, und alle stiegen aus und
betrachteten den hundert Meter hohen Betondamm, der das vor ihnen
liegende Tal abriegelte.
»Die Siebplatten«, sagte Dee.
»Heißt das, es gibt noch mehr?«, fragte
Wilde, in die Höhe blickend.
»Aber ja«, antwortete Tamara. »Insgesamt
sind es sechs, glaube ich.«
»Du meine Güte.« Wilde entfernte das
Zellophan von seiner letzten Packung Zigaretten und zündete
sich eine an. Er konnte den Blick nicht abwenden. »Wer hat
das gebaut? Die Marsianer?«
»Robots«, antwortete Dee mit einem Anflug von
Stolz. »Kommt weiter. Wir müssen uns
beeilen.«
Im Licht der Sterne und Kometen stiegen sie die Treppe hoch.
Sie führte im Zickzack in die Höhe, bis sie sich
oberhalb des Damms befanden und den dunklen See des aufgestauten
Kometenwassers und einen zwei Kilometer entfernten, noch
größeren und höheren zweiten Damm sehen
konnten.
»Marsianer«, sagte Wilde. »Eine andere
Erklärung gibt es nicht.«
»Neumarsianer«, keuchte Tamara. Die Luft war hier
merklich dünner, obschon Wilde erstaunlich gut damit zurecht
kam.
»Maschinen«, beharrte Dee.
»Ist doch egal, wer’s war«, meinte Ax.
»Wann hört diese verfluchte Treppe endlich
auf?«
Als sie fünf Minuten später um einen Felspfeiler
bogen und plötzlich vor der Mündung einer
künstlichen Höhle standen, wusste er die Antwort. Die
Höhle war etwa drei Meter hoch und zwei Meter breit, der
Boden bestand aus verschmolzenem Gestein. Hinter mehreren
Biegungen machte sich schwacher Lichtschein bemerkbar. Dee
führte sie zielstrebig darauf zu.
Das Licht wurde heller, die Höhle weitete sich, und nach
einer letzten Biegung gelangten sie in eine weit
größere Höhle, die in den Fels geschnitten war.
Sie war gut dreißig Meter hoch und fünfzig Meter
breit. Darin waren Kisten und Maschinen gestapelt, die von
Lichtbögen an der Decke erhellt wurden. Wie weit sich die
Höhle erstreckte, war nicht zu erkennen.
»Wer, zum Teufel, hat das gebaut?«, fragte Ax.
Tamara rümpfte die Nase. »Jemand mit
Nuklearsprengstoff«, sagte sie und blickte zu den Lampen
hoch. »Und atomarer Stromversorgung.«
»Jay-Dub hat das gebaut«, sagte Dee.
»Ganz allein?« Wilde klang amüsiert.
Hinter einem Stapel aus Maschinenteilen und Kisten hervor
ertönte das unmissverständliche Klicken, mit dem Waffen
entsichert werden.
»Nicht ganz allein«, sagte David Reid und trat aus
der Deckung hervor. Er schwenkte beiläufig die Hand.
»Und ihr seid auch nicht allein, falls das noch nicht jedem
klar sein sollte.«
Niemand rührte sich.
»Ist klar«, sagte Tamara.
Reid lächelte verzerrt, Ax lächelte höflich,
und Wilde schaute abweisend drein. Dann blickte er Dee
unmittelbar in die Augen.
»Hallo, Jon«, sagte er. »Ich hätte
nicht gedacht, dass du dich hinter Frauenröcken verstecken
würdest.«
Mehrere Bewaffnete in schwarzen Overalls tauchten auf und
umringten die Gruppe. Reid vergewisserte sich, dass jeder der
Neuankömmlinge von einer Waffe bedroht wurde. Dann bot er
Weitere Kostenlose Bücher