Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mars-Stadt

Die Mars-Stadt

Titel: Die Mars-Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
Vom Netzwerk:
Gesichtsausdruck, was ich davon
hielt.
    »Ganz schön hart, nicht wahr?«, sagte sie.
»Aber so ist es nun mal.«
    Mein nächster Gedanke war…
    »Haben wir irgendwo Alarm ausgelöst?«
    »Nein«, antwortete sie. »Hier gibt es keine
zentrale Kontrolle, verstehst du? Darum geht’s ja gerade.
Ein agorisches System.« Sie grinste. »Solltest du
eigentlich wissen. Wohlgemerkt, es gibt
Einflussmöglichkeiten – dafür hat Reid schon
gesorgt –, deshalb wollte ich nichts
überstürzen.«
    »Ah, ja. Und wie geht’s jetzt weiter?«
    »Du weißt es«, sagte sie. »Reid hat
bei diesem Projekt noch immer das Sagen. Er ist der Boss. Nicht,
dass die Schnelldenker sich darum scheren würden, aber wir,
die wir nicht in Makros leben, kommen an der Tatsache nicht
vorbei.«
    »Wenn Reid hier das Sagen hat«, meinte ich,
»wird es Zeit, mit ihm zu sprechen.«
    Meg langte abermals hinter die Systemsteuerung und rief ihn
an. Es klingelte wiederholt, dann tauchte Reids leicht
verstörtes Gesicht auf dem Bildschirm auf. Er wirkte eher
jünger als in dem Video, wurde in seiner wachsamen Ruhe
jedoch gestört, als er mich sah.
    »Wilde!«, sagte er. »Bist du’s
wirklich?«
    »Ja«, antwortete ich.
    »Erstaunlich!«, meinte er. Meg timte seine
Antworten. Die Verzögerungen waren nicht zu bemerken; er
musste ganz in der Nähe sein, wahrscheinlich auf einem
Felsbrocken innerhalb des Rings. Innerhalb des Gebildes oder in
dessen Umkreis war mir noch kein Habitat aufgefallen.
    »Mein Gott, ich dachte, du wärst tot!«, fuhr
er fort. Er schnaubte. »Ich dachte, du wärst bei den
Toten.«
    Wenn er log, machte er seine Sache gut: Nicht einmal Meg,
deren visuelle Analysesoftware hinter meinem virtuellen Blickfeld
schwebte, vermochte in seiner Miene etwas anderes als
Überraschung, Neugier und ungetrübte Freude über
das Wiedersehen auszumachen. Dennoch traute ich ihm nicht:
Aufgrund seiner im Laufe der Jahre erworbenen Erfahrung und
Disziplin strahlte er eine überwältigende Aura von
Selbstbeherrschung aus. Plötzlich wurde mir bewusst, dass er
anders war als alle anderen Menschen, die ich je gekannt hatte.
Die Nanotechnik, die intelligente Materie, die ihn vor dem Altern
bewahrt hatte, mochten in seinem Gehirn und seinem Blut noch ganz
andere Veränderungen bewirkt haben.
    Ich breitete die Arme aus und rang mir ein Lächeln ab.
»Ist das denn nicht der Tod?«
    Reid lächelte freudlos. »Postmortales Leben, sagen
wir dazu. Übrigens sollte dein elektronisches Liebchen mal
was für dein Äußeres tun. Du siehst furchtbar
aus.«
    Ich blickte an ihm vorbei, betrachtete den Hintergrund. Es
bewegten sich Leute umher – offenbar saß er in einem
öffentlichen Bereich und sprach schräg in eine Kamera.
Die Perspektive auf den Boden und die Menschen im Hintergrund kam
mir zunächst seltsam vor, dann auf einmal wurde es mir klar.
Der Krümmung des Bodens und der unterschiedlichen Neigungen
der verschiedenen Senkrechten nach zu schließen befand er
sich in einer großen rotierenden Raumstation.
    »Zweifellos«, sagte ich. »Aber bestimmt
nicht schlechter als bei unserer letzten Begegnung, erinnerst
du’ dich noch?« Zorn wallte in mir auf. »Du
hast mich töten lassen, du Schuft!«
    Er sah mir gelassen in die Augen. »Das stimmt
nicht«, entgegnete er. »Du wurdest in einen
Grenzkonflikt verwickelt. So viel ich weiß, bist du dabei
umgekommen. Dein Leichnam wurde nach England gebracht und dort
eingeäschert. Ich war bei deiner Trauerfeier,
Mann!«
    Ich versuchte mir meine Erschütterung nicht anmerken zu
lassen. »Und wie bin ich dann hierher gekommen?«,
fragte ich. »Erzähl mir nicht, du hättest nicht
gewusst, dass man eine Kopie angefertigt hat!«
    Reid fuhr sich seufzend mit den Fingern durchs dichte schwarze
Haar. »Selbstverständlich hab ich das gewusst. Du
warst einer der ersten Menschen – wir wussten nicht einmal,
ob es funktionieren würde. Wir fertigten die Kopie an,
gleich nachdem wir dich gefunden hatten, und speicherten den
Gehirnscan und deine genetische Information. Aber so viel ich
weiß, war’s das auch schon – die Kopie wurde
zusammen mit den übrigen Toten in der Bank gespeichert. Von
dir lag keine Verfügung vor, deshalb ließen wir dich
dort. Du wurdest niemals in einen Makro hochgeladen, da bin ich
mir ziemlich sicher. Ich hatte keine Ahnung, dass dich jemand
geklaut hat, ehrlich.« Seine Miene verhärtete sich.
»Und ich kann es jetzt auch nicht mehr

Weitere Kostenlose Bücher