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Die Mars-Stadt

Die Mars-Stadt

Titel: Die Mars-Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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zwölf. Er
ist ein Schwarzer mit zartem Körperbau, angenehmen
Gesichtszügen und einem schwarzen Haarschopf. Während
Dee ihn von oben bis unten scannt und er lächelnd
»Hallo!« sagt, wird ihr bewusst, dass er viel
älter ist, als er wirkt. Anders lässt sich die
gesammelte Erfahrung, die sich im Muskeltonus seines Gesichts und
in seinem Blick ausdrückt, nicht erklären. Jedenfalls
nicht hier, in Ship City. Hier gibt es Gesetze, die das
verhindern.
    »Du bist bestimmt Ax«, sagt sie und nimmt das
Tablett entgegen. »Danke.« Sie bedeutet ihm, Platz zu
nehmen. »Tamara hat von dir gesprochen.«
    »Von dir auch«, sagt der Junge und setzt sich,
einen Fuß aufs andere Knie gelegt. »Dann bist du also
Dee Model, hm? Die Lieblingsgespielin von Big Boss
Reid?«
    Dees schaut ihn an, die Knie züchtig aneinandergepresst,
das Tablett darauf balancierend, den Löffel dicht vor dem
Mund. Sie legt ihn wieder weg, er klirrt leise gegen die
Außenseite der Schüssel. Sie stützt das Tablett
und unterdrückt das Schwanken ihrer Stimme.
    »Woher weißt du das?«
    Ax lässt weiße Zähne aufblitzen. »Du
bist berühmt.« Sein Grinsen wird durchtrieben, dann
auf einmal beruhigend. »Nicht wirklich. Dein Herr hat dich
vergangenes Jahr auf einer Party am Arm geführt, und das
Bild erschien in den Klatschblättern.« Sein Blick wird
einen Moment unscharf. »Ein tolles Kleid«, sagt
er.
    »Ich war anderer Meinung«, entgegnet Dee. Sie isst
weiter. »Ich musste die meiste Zeit über im Sexmodus
bleiben, um es tragen zu können.«
    Ax schnaubt.
    »Ist ja auch egal.« Dee errötet. Die Routine
des Spions sorgt dafür, dass ihre Stimme ruhig und
ausdruckslos klingt. »Wird nach mir gesucht? Wurde eine
Belohnung ausgesetzt?«
    Abermals der Offline-Blick – Dee wird bewusst, dass er
eine Downlinkverbindung mitten ins Gehirn hat, was hier
keineswegs normal ist; das intimste Interface zu den Netzwerken,
das die meisten Menschen gerade noch dulden, ist der Kontakt
über die kleinen runden Bildschirme, die man sich auf die
Augen steckt.
    »Bis jetzt noch nicht«, sagt Ax, unvermittelt
wieder aufmerksam geworden. »Vermutlich ist es ihm
peinlich. Ich meine, wenn einem die lebende Puppe wegläuft,
dann ist das was anderes, als wenn einem das Auto geklaut wird,
oder nicht?«
    »Ja«, sagt Dee. Wenn sie an die Wut und die
Erniedrigung ihres Besitzers denkt, zittern ihr
unwillkürlich die Knie. Sie setzt das Tablett ab und greift
nach ihrer Handtasche.
    »Darf ich rauchen?«
    »Nur zu«, antwortet Ax. An seiner Halskette ist
ein Feuerzeug befestigt. Er gibt ihr rasch Feuer, dann setzt er
sich wieder und steckt sich seinerseits eine Zigarette an.
    »Weshalb bist du weggelaufen?«, fragt er. Sein
Tonfall ist weder freundlich noch lüstern; die Frage
kündet von professionellem Interesse, wie der Tonfall eines
Arztes oder eines Technikers im Gespräch mit einem
Patienten.
    »Er hat mich nicht schlecht behandelt«, sagt sie.
»Nicht das Dienen oder der Sex hat mich gestört,
sondern dass ich eine Sklavin war.«
    »Eigentlich hätte es dir gefallen
müssen«, meint Ax. »Das ist
eingebaut.«
    »Ich weiß«, sagt Dee. Sie blickt sich nach
einem Aschenbecher um, dann überwindet sie ihre
Dienerinroutine und klopft die Asche in die leere,
milchgeränderte Schüssel ab. »Und es gefällt
mir ja auch. Ich finde es befriedigend. Aber bloß in
sexueller Hinsicht. Nicht in anderer Beziehung, nicht für
mein eigenständiges Ich. Und als mir klar wurde, dass das,
was ich tat… Also, ich übertrug meine Sexprogramme in
einen bestimmten Bereich, maskierte diesen vor dem Ich und
befreite mich.«
    »Erstaunlich«, sagt Ax, als wäre es alles
andere als verwunderlich. »Dann stimmt es also, wenn man
sagt: Informationen wollen frei sein!«
    Dee schüttelt den Kopf. »So großartig ist es
nicht«, erklärt sie. »Es geschah, nachdem ich
weit mehr Bewusstseinstools geladen hatte, als ich eigentlich
haben sollte.« Sie versucht, sich an diese zweite Geburt zu
erinnern, an das Erwachen, als sie von einem Ich zum anderen
wechselte und sich selbst als geisterhaftes Spiegelbild in all
den Fenstern sah.
    Ax runzelt die Stirn. Er schnippt den Zigarettenstummel gegen
den Milchrand der Schüssel, wo er zischend erlöscht.
Ein neugieriger kleiner Reinigungsautomat huscht erschreckt
davon, stellt die Vordersegmente auf. »Wann geschah
das?«, fragt er.
    Dee lächelt stolz, begierig darauf, ihr neu gewonnenes

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