Die Mars-Verschwörung
selbst aber makellos bleibt.‹«
»Sir?«, frage ich. »Ich verstehe nicht.«
Er atmet den Duft der Blüte tief ein. »Koste die Daifuku . Süße Reiskekse. Sie besänftigen den Magen.«
Ich will ihm sagen, dass ich nicht hungrig bin, aber da reicht er mir schon die Kekse. Ich knabbere an einem, um ihm einen Gefallen zu tun, als mein Magen zu knurren anfängt.
»Siehst du?« Er erhebt sich und verbeugt sich vor mir. »Sie wirken schon.«
Ich schiebe mir den Rest des Daifuku zwischen die Kiefer, als Mimi sich meldet. »Das ist sehr lehrreich, Cowboy.«
»Sehr sonderbar, meinst du. Dieser Ghannouj redet wirr.«
»Besser, als mit vollem Mund«, sagt sie. »Mach schon, schluck diesen Reiskeks runter. Deine olfaktorischen Sinne sind der reine Wahnsinn, und basierend auf den Dämpfen, die aus der Küche kommen, sage ich dir voraus, dass in deiner Zukunft ein köstliches, würziges Mahl wartet.«
♦
Nun, da die Mönche unsere Anwesenheit akzeptiert haben, ziehen die Stunden nur so vorüber, und ich genieße es, die bisher längste Zeitspanne mit Vienne zu verbringen, in der keine Schüsse fallen. Ich vertreibe mir die Zeit damit, am Muk Yan Jong zu trainieren, einer Holzpuppe für Trittübungen, und Mimis periodischen Updates zu lauschen, während sie die Daten dekodiert, die wir aus der Bibliotheca Alexandrina gestohlen haben. Kurz zusammengefasst verrät sie mir jedoch nur, was ich bereits gewusst habe – dass sich der Rest der Daten immer noch in einer ehemaligen Hochsicherheitsserverfarm in Tharsis Zwei befindet. Der Außenpostenwar vor ein paar Monaten von Sturmnacht-Soldaten eingenommen worden. Dort werden wir nicht so spielend durchmarschieren können wie in Christchurch.
Trotz allem spüre ich den sengenden Stachel, der mich treibt, eine nicht abgeschlossene Angelegenheit zu Ende zu bringen. Monatelang, seit dem Sieg über die Dræu und ihre psychotische Königin in den Minen am Südpol, haben wir nach Informationen über das Projekt MUSE gesucht – ein streng geheimes Genprojekt, das dazu dienen sollte, Supersoldaten für das Militär hervorzubringen. Doch es war katastrophal gescheitert und hatte stattdessen zur Entstehung der Dræu geführt.
Und der Mann, der MUSE ins Leben gerufen, finanziert und sich sogar persönlich an der Umsetzung beteiligt hatte? Das war mein kürzlich verstorbener Vater gewesen. Seit ich erfahren habe, dass er bei der Erschaffung der Dræu die Finger im Spiel hatte, hat mich eine Frage verfolgt: Bin ich noch ein menschliches Wesen, das sein eigenes Los in der Hand hat, oder ist es mein Schicksal, ebenfalls zum Monster zu werden?
♦
Am nächsten Tag stehen wir noch in der Dämmerung auf zum Gebet, trainieren anschließend bis zum Frühstück und patrouillieren über das Gelände, bis zur Mittagszeit ein Gong erklingt und uns zum Essen ruft.
Ich reibe mir die Hände. »Wird auch Zeit. Ich verhungere.«
Vienne schüttelt den Kopf. »Kein Essen für dich. Tanzunterricht, schon vergessen? Du wirst im Tempel erwartet. Du lernst besser mit leerem Magen, meint der Meister. Wir sehen uns später. Wenn du gut tanzt, hebe ich dir Reis auf.«
Als sie davonspaziert, knurrt mein Magen voller Protest.
»Meister Yadokai kann mich ...« Ein elektrischer Schlag schneidet mir das Wort ab. »Au! Wofür war das denn?«
»Du bist frech geworden«, sagt Mimi.
»Aber die Worte sind mir nicht mal über die Lippen gekommen!«
»Man muss keine KI sein, um zu wissen, dass du drauf und dran warst, dich zum Narren zu machen. Und jetzt schreite munter aus, Regulator. Meister Yadokai erwartet dich bereits.«
Als ich den Pfad hinter mir lasse, hungriger denn je, wartet Yadokai tatsächlich schon auf mich. »Zeit für deine Lektionen«, sagt er streng. »Heute werden wir deine Schwabbelarme kurieren!«
»Lektionen?«, frage ich.
Er rollt einen alten Elektrostatbogen ab, auf dem eine Reihe von Tanzschritten zu sehen sind. Die Kopfzeile des Bogens lautet: »Wie man den Bon-Odori tanzt. Ein Lehrgang in drei einfachen Lektionen.«
»Auf keinen Fall.« Energisch schüttle ich den Kopf. »So weit wird es nie kommen.«
Kapitel 6
Tengu-Kloster, Noctis Labyrinthus
Präfektur Zealand
Annos Martis 238. 7. 19. 12:17
Es passiert wirklich.
Binnen Minuten finde ich mich in den Armen des alten Mannes wieder und tanze mit ihm über den Boden des großen Saales. Die Tatamimatten sind weggeräumt und säuberlich aufgestapelt worden. Der Boden ist glatt gewienert. Sogar barfuß bin ich ständig in
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