Die Mars-Verschwörung
lange mit Schwabbelarm!« Shoei zerrt mich über den Tanzboden, noch während Ghannouj damit beschäftigt ist, die Sauerei wegzufegen und Riki-Tiki den Dynamo der Musikdose hochdreht.
»Mimi?«, frage ich. »Was soll ich tun?«
»Tanzen!«, sagt sie. »Sie versuchen, deine Verlegenheit zu mildern, also halt deine große Klappe und spiel mit!«
Shoei bugsiert mich in die Mitte des Raums. Ihre Hände sind kleiner als die von Yadokai, aber genauso ledrig, und ihr Kopf ist gerade mal auf Höhe meiner Brust. »Zeig mir den Drachentanz.«
Ich versuche zu entkommen. »Yadokai hat mich keinen Drachentanz gelehrt.«
»Ha!« Sie reißt an meinem Hemdsaum. »So leicht kommst du mir nicht davon. Vienne, komm, du bist der Drache.«
»Und was bin ich?«
Sie ballert mir die Hand an die Stirn. »Du steuerst den Drachen, Schwabbelarm.«
»Ich steuere den Drachen?«, frage ich Mimi.
Ehe sie antworten kann, schaltet Yadokai die Musik ein, undVienne verbeugt sich vor mir. Anlässlich des Fests trägt sie einen weißen Salwar Kamiz aus Leinen und ist barfuß, aber ihre Zehennägel sind immer noch rosarot. Das Haar hat sie lose zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, und ihre Wangen wirken frisch frottiert. Das ist eine der wenigen Gelegenheiten, dass ich sie mal ohne ihre Symbipanzerung zu Gesicht bekomme, und der Anblick raubt mir den Atem.
»Atmen!«, weist mich Mimi an.
»Hab vergessen, wie das geht.«
Während ich Vienne beobachte, hebt sie die Hände über den Kopf und fängt an zu hüpfen. Dann macht sie eine volle Drehung, und die rhythmischen Bewegungen ihrer Arme und Beine gleichen dem flatterhaften Zucken eines Drachen im Wind. Sie springt mit kreiselnden Armen hoch in die Luft, landet wieder, huscht zur gegenüberliegenden Wand, stößt sich ab und segelt mit weit ausgebreiteten Armen unter der Decke entlang. Ihre Ärmel flattern, und das Gewebe ihres Kamiz’ liegt dicht an ihrer Brust. Das lange Haar löst sich aus dem Pferdeschwanz und wickelt sich wie der Schweif eines Drachen um ihr Gesicht. Sie landet so leichtfüßig, dass der Holzboden kaum ein Flüstern von sich gibt. Beinahe übergangslos zucken ihre Arme wieder in die Höhe, und ihre Hüften wiegen sich im Rhythmus der Trommel.
Ich beobachte sie gebannt. Das ist eine andere Vienne – versunken in ihren Körper, frei, davongerissen vom Rhythmus der Musik und wunderschön auf eine Weise, dass es mir den Atem verschlägt.
»Ich glaube«, reißt Mimi mich aus meinen Gedanken, »du solltest wenigstens so tun, als würdest du ihren Flug steuern.«
»Wie denn? Es ist völlig unmöglich, dass irgendjemand so etwas steuert.«
»Dann sieh wenigstens zu, dass du ein bisschen Spannung in deinen abgeschlafften Unterkiefer bringst. Deine Zunge hängt raus.«
»Nein! Nein! Nein!«, heult Yadokai.
Die Musik verstummt. Der alte Mann kommt zu mir, wobei er in die Hände klatscht, und schüttelt mich kräftig durch. »Du sollst den Drachen lenken, nicht zusehen, wie er davonfliegt. Hast du bei deinen Lektionen denn gar nichts gelernt? Wie willst du selbst den Bon-Odori tanzen?«
»Äh ...«, sage ich, ein Auge auf ihn, das andere auf Vienne gerichtet, die sich gerade eine Haarsträhne hinter das Ohr streicht. Ihre Wangen sind ebenso gerötet wie ihre Lippen. Ich fühle mich leer und hungrig, als hätte ich noch nie genug zu essen bekommen.
»Meister.« Vienne atmet tief aus, um ihren Atem unter Kontrolle zu bringen. »Sei unbesorgt. Ich kann Durango unterrichten. Er lernt sehr schnell, wenn er nur will.«
Wir haben uns gemeinsam Kugeln und Granaten gestellt, haben Big Daddys, Kannibalen und anderen Abschaum bekämpft, aber nichts von alldem war so beängstigend wie der giftige Blick, mit dem der Meister mich nun bedenkt. Vienne beugt sich zu mir und schirmt mich vor Yadokai ab. Ich spüre die Wärme ihrer Haut.
»Lass den Jungen in Ruhe, alter Mann!« Shoei schiebt Yadokai weg und scheucht uns zur Tür hinaus. »Vienne, geh mit ihm spazieren. Wir räumen hier auf. Geh schon, geh.« Sie kneift mich ins Ohrläppchen. »Mach keine Dummheiten, Schwabbelarm. Shoei weiß alles, hast du verstanden?«
Als die Meisterin die Tür hinter uns zuknallt, frage ich Mimi: »Wie kommt es, dass ich ein ganzes Davos Regulatoren führen kann, aber diese beiden kleinen, hutzligen Mönche behandeln mich wie ein Kind?«
»Manche Dinge liegen auf der Hand«, sagt Mimi.
»Soll heißen?«
»Denk darüber nach und versuch mal, den Arschkrampf aus deinem Hirn zu
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