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Die Mars-Verschwörung

Die Mars-Verschwörung

Titel: Die Mars-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Macinnis Gill
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zum Arbeiten.«
    »Ein Herz«, schließt sie. »Mehr brauche ich nicht zum Leben.«
    Ein Auge. Eine Hand. Ein Herz. Der Eid eines Regulators, ein Versprechen an den Rest deiner Mannschaft, dass du bereit bist, Leib und Leben zu opfern, um dein Davos zu schützen. Ich muss diesen Eid eine Million Mal gesprochen haben, aber ich habe ihn noch nie so melodisch gehört wie jetzt.
    »Willkommen zu Hause!« Shoei umarmt Vienne wie ein lange vermisstes Kind.
    Yadokai will offenbar nicht allein dastehen und rüttelte an Shoeis Schulter. »Hey, hey, aufhören. Genug damit. Du bist Tengu-Mönch, Frau. Halte dich ein bisschen zurück.«
    »Halt du dich doch zurück«, sagt Shoei, packt seine Nase und verdreht sie sanft. »Grinsgesicht.«
    Yadokai reibt sich die Nase. »Was meinst du mit Grinsgesicht? Ich habe nicht gegrinst. Ich bin viel zu ernsthaft, um zu grinsen. Mein Stirnrunzeln sieht nur ein bisschen sonderbar aus.«
    Shoei umrundet ihn und wedelt unter seinem langen, spitzen Kinn mit einem Finger. »Du lügst! Ich habe dich aus dem Augenwinkel beobachtet. Shoei sieht alles.«
    »Ha!«, ruft er und packt ihre knochigen Finger. »Nichts siehst du ohne deine Brille.«
    Ich lache laut, was ein großer Fehler ist, da die Mönche nun beschließen, sich über mich herzumachen.
    Mit steinerner Miene packt Shoei meine Handgelenke und inspiziert meine Handflächen. Sie zupft am Gewebe meiner Rüstung und lässt es zurückschnappen. Dann ergreift sie mein Gesicht, dreht es ruckartig von einer Seite zur anderen, dann hoch und runter wie einen Klumpen weichen Knetgummis.
    »Das ist dein Chief, richtig?«, sagt sie zu Vienne, die das Ritual amüsant zu finden scheint. Shoei versetzt meiner Wange einen kräftige Klaps. »Was für ein Gesicht! Und sieh dir nur diesen Bizeps an, Yadokai. Ist das nicht was? Er wird das Bon-Odori wunderbar ergänzen.«
    Die Arme vor der Brust verschränkt, mustert Yadokai mich von oben herab, als würde er ein rostiges Abflussrohr betrachten. »Na ja, nicht so ganz. Ich wette, er hat zwei linke Füße und Schwabbelarme.«
    »Na, sicher. Und du hast Steine im Schädel.« Shoei pocht auf des Meisters Kopf, um ihre Behauptung unter Beweis zu stellen. »Ich verstehe mich sehr gut darauf, junge Männer einzuschätzen, und dies ist ein feiner junger Mann.«
    »Für einen Regulator, meinst du«, nörgelt der Meister und reibt sich den Kopf. »Aber nicht als Odori-Tänzer.«
    »Was ist falsch daran, Regulator zu sein?«, will ich wissen. Hätte er Dalit gesagt, hätte es mich nicht überrascht. Einem Dalit schlägt allenthalben Verachtung entgegen. Aber Regulatoren sind Soldaten im Dienst des Volkes.
    »Hast du Schwabbelarme, Junge?«, erwidert Yadokai als Antwort auf meine Frage. »Alle Soldaten haben Schwabbelarme, und Schwabbelarme kann ich nicht ausstehen.«
    Shoei schlägt ihm eine verwitterte Hand vor den Mund. »Genug von dem Unsinn! Lass den Jungen in Ruhe.«
    »Mir gefällt nicht, wie er aussieht«, sagt Yadokai hinter ihrer Hand. »An seinem Geruch stimmt etwas nicht. Zeig mir deine Zähne.«
    »Na, sicher. Nicht wieder die Geschichte mit den Zähnen. Rein mit dir, alter Mann! Riki-Tiki, du auch! Sag Ghannouj, er soll Tee bereiten. Du«, sagt sie dann zu mir und krümmt einen von der Arthritis verdickten Finger, »kommst mit mir. Es ist Zeit für dein Bad.«
    Bad? Mit ihr?, wende ich mich hilfesuchend, aber tonlos an Vienne, die anfängt zu pfeifen, um ihr schlitzohriges Lächeln zu tarnen.
    ♦
    Am Horizont oberhalb der Steinmauer, die das Tengu-Kloster umschließt, kennzeichnet eine Reihe hoher Klippen jenen Teil des Labyrinths, der als Hohenwald bekannt ist. Die Gipfel über den Klippen recken sich in den Himmel, blanker Fels, den kein Mensch erklettern könnte. Als ich jung war und Vater mich auf eine Bootsfahrt im tiefer gelegenen Flusslauf mitgenommen hat, sah ich Klippen wie diese überall am Rande des Vallis Marineris. Sie führten zu Höhlensiedlungen, geschaffen von den Gründern. Ich weiß noch, dass ich dachte, wie sonderbar es doch war, dass Menschen in Höhlen lebten.
    Heute, nackt und bis zum Hals in einer dampfend heißen Mineralquelle im Badehaus des Tempels, ein nasses Handtuch um den Kopf geschlungen, würde ich alles dafür tun, eine eigene Höhle zu haben. Wie bin ich nur hier gelandet, an einem Ort, an dem mir zwei zänkische Mönche die Haut wund schrubben?
    »Ich glaube«, sagt Mimi, »der irdische Ausdruck dafür lautet ›Shanghaien‹, aber passender wäre die Aussage, du

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