Die Mars-Verschwörung
tatsächlich nur ein erstickter Laut entfleucht. »Mimi, kannst du nicht irgendwas tun?«
»Nein«, sagt sie und hört sich wütender und hilfloser an, als ich es je zuvor erlebt habe. »Ich kann nichts tun, weil du nichts tun kannst.«
Ich möchte vor Frust laut schreien, aber selbst das ist mir verwehrt.
»Tut mir leid, dass du nicht reden kannst«, sagt Rebecca. »Diese leichte Paralyse kommt von dem Pancuroiniumbromid. Du hastdich dauernd hin und her geworfen, also musste ich dich sedieren. – Joad, zieh sein linkes Augenlid hoch.«
»Hab’s.« Joad beugt sich in mein Blickfeld. Er trägt keine Chirurgenkleidung, und seine Hand sieht fürchterlich schmutzig aus.
»Etwas weiter, bitte«, sagt Rebecca. »Da sind immer noch mehrere Haare in der Hornhaut. Durango, versuch, dich zu entspannen. Brennhaare aus der Hornhaut zu ziehen, ist eine heikle Sache, und in der letzten Zeit bin ich vor allem den Umgang mit Pflanzen gewöhnt, die keine Nervenenden haben.«
Schmerz ist mehr als die Summe seiner Neuronen , denke ich.
Methodisch zieht Rebecca die Haare heraus und legt jedes einzeln zur Seite. »Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich schwören, du bist einer Riesenvogelspinne begegnet, nur dass es sich um eine Erdenspezies handelt, die ausgestorben ist, als der Amazonas entwaldet wurde. Ein Glück, dass unser Sprühflugzeug dich entdeckt hat, ehe die Biberratten dich verspeisen konnten.«
»Bemerkenswert kaltschnäuzig«, stellt Mimi fest. »Die Frau bezeichnet sich immerhin als Expertin.«
»Sie ist Botanikerin.«
»Bemerkenswert angemessen«, sagt Mimi. »Im Umgang mit Patienten hat sie so viel Feingefühl wie eine Topfpflanze.«
Rebecca verändert den Eintrittswinkel des Lichtstrahls und schürzt verwundert die Lippen. »Seltsam. Ich dachte, ich hätte noch mehr Haare in den Glaskörper eingebettet gesehen. Jetzt sind sie nicht mehr da.«
Wie können sie einfach nicht mehr da sein? , überlege ich.
Rebecca legt die Pinzette weg. »Hast du sie verspeist, Durango? Ich weiß, ich weiß, das ist nicht lustig. Nur ein bisschen Galgenhumor. Ich rede eben gerne bei der Arbeit. Stimmt’s, Joad?«
»Allerdings«, sagt er und verdreht die Augen.
»Den Pflanzen scheint das nichts auszumachen.« Rebecca verschwindet aus meinem Blickfeld.
Joad nimmt ihren Platz ein. »Das liegt daran, dass sie keine Ohren haben.«
»Das ist nur zu wahr«, sagt Rebecca. Es hört sich an, als hätte sie sich ein paar Meter entfernt. »Aber das bedeutet nicht, dass sie nicht hören können. Durango, ich lege jetzt eines der Haare unter das Mikroskop, um seine Herkunft festzustellen. Hmmm. Keine Herstellermarkierung, also ist es definitiv kein Produkt der Genmanipulation. So eine Haarstruktur habe ich noch nie gesehen. Erstaunlich. Das ist eine ziemlich spannende Entdeckung. Ich würde ja einen Artikel darüber schreiben, würde ich nicht bis zum Hals in der Arbeit stecken, die mit der Leitung eines Kollektivs verbunden ist.«
Mit einer Pipette in der Hand taucht sie wieder auf. »Ich könnte dir jetzt sagen, das wird ein bisschen brennen, aber das wäre eine Lüge.«
Sie träufelt mit der Pipette Medizin in mein Auge. Der Schmerz gleicht einer wütenden Glut, und ich reiße den Kopf zur Seite.
»Joad«, sagt Rebecca. »Halte bitte seinen Kopf ruhig. Tut mir leid, Durango, aber ohne die Tropfen wirst du erblinden.«
»Wà kào , das brennt!«, sage ich zu Mimi.
»Ich weiß, Cowboy. Deine Synapsen leuchten wie die Hauptstadt beim Geisterfestival. Au! Da geht’s wieder los. Ich weiß, für dich ist das schwer, aber aus meiner Perspektive kann Schmerz recht schön sein.«
»Danke ... aua ... für dein Mitgefühl.«
»Mitgefühl trifft es nicht ganz. Oh, was für hübsche Synapsen.«
»Erledigt«, sagt Rebecca, legt mir einen Tupfer auf das Auge und übt sanften Druck aus. Mir fällt auf, dass ich wieder ein bisschen mehr fühle als zuvor.
Als Rebecca den Tupfer entfernt, blinzle ich dreimal. Es brennt nicht mehr so sehr.
»Du kannst blinzeln? Die Wirkung des Pancuroiniumbromids lässt ein bisschen früh nach. Ich werde dir für den Übergang etwas gegen die Schmerzen geben. Wie gesagt, irgendjemand hat deinem hübschen Gesicht ziemlich übel mitgespielt. Tu dir selbst einen Gefallen und schaue wenigstens eine Woche lang nicht in den Spiegel.«
Joad reicht Rebecca eine Patrone mit einem Serum und einen Autoinjektor. Sie schiebt die Patrone in den Injektor, legt ihn an meine Schulter und drückt
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