Die Marsfrau
ungeeignetste Therapie.“ Alexej
hätte das beinahe leidenschaftlich gesprochen.
Mac entgegnete nichts. Er nahm seine Wanderung im
Zimmer wieder auf. Dann blieb er abrupt stehen, sodass Alexej
erneut aufsah. Mac wies mit dem Kopf zu ihr hin.
Sie saß noch so da wie vorhin. Nur ihre Augen rollten unstet
hin und her, so wie Alexej und Mac es kannten. Auf ihrem
Gesicht lag, unterstrichen vom olivfarbenen Grundton, ein
Schimmer.
Mit einem kurzen Blick vergewisserte sich Mac, dass dieser
Schimmer vom Fenster her kam. Draußen lugte Sunnyboy über
die Hügel und schickte erste schräge Strahlen in den Raum.
Plötzlich, mit einem gutturalen Laut, sprang sie auf. Der
Stuhl stürzte. Die beiden Männer standen wie erstarrt. Mit
zwei Sätzen war sie am Fenster. Sie warf sich dagegen wie ein
gefangener Vogel. Mit den Händen ratschte sie über die
Hermetikscheiben, dass es durchdringend quietschte.
Ohnmächtig schlug sie erst mit der Faust, dann mit der flachen
Hand gegen das Glas, rutschte verzweifelt am Fenster hinab,
kniete davor, ein Bild des Jammers.
„Ich halt das nicht aus!“, rief Mac, „ich lass sie raus!“
„Nein, nicht, jetzt nicht!“ Alexej flehte förmlich.
Dann kam erneut Leben in das Wesen. Sie bäumte sich
gleichsam auf, begann an ihrer Kleidung zu zerren, zu reißen.
Schweiß glänzte auf ihrer Stirn. Es gelang ihr nicht, sich des
Anzugs zu entledigen. Sie kannte den Schließmechanismus
nicht. Das dünne, strapazierfähige Gewebe widerstand. Sie
kämpfte verbissen.
Alexej hielt Mac, der auf dem Sprung stand, zurück, sprach
immer wieder beruhigend auf ihn ein.
Sunnyboy stieg schnell. Der Lichtfleck, den er auf dem
Fußboden erzeugte, schmolz. Das Vordach des
Stationsgebäudes schirmte die Strahlen immer mehr ab.
Die Frau hielt der Sonne das Gesicht entgegen, nahm dabei
eine unnatürliche Körperhaltung ein. Sie riss noch immer am
Halsausschnitt ihrer Kleidung, aber unkonzentriert wie ein
Erstickender oder ein Ertrinkender. Ihr Atem ging schwer, der
Schweiß rann.
„Der Anfall ist gleich vorbei, beruhige dich, Mac. Mir scheint
das ganz normal – bei ihrer Krankheit.“
Es war so. Als das Schleppdach seinen Schatten bereits
draußen vor das Fenster warf, ließen die Bewegungen der Frau
nach. Sie kniete noch immer, die Hände im Halsausschnitt
verkrampft, das Oberteil der Kleidung weit vom Körper
gezerrt.
Dann erschlaffte sie, sackte gleichsam wieder in sich
zusammen, blieb hocken, wo sie war. Das Gesicht sah auf
einmal verfallen aus, tiefe Schatten lagen um die Augen, trotz
der dunklen Haut wahrnehmbar.
„Na, siehst du!“, sagte Alexej, und es sollte beruhigend
wirken. In Wahrheit war er sich im Klaren darüber, dass er
noch einige dieser Anfälle nicht überstünde. Er würde Macs
Drängen, sie laufen zu lassen, zwar nicht nachkommen, aber er
würde etwas anderes tun müssen.
Alexej bot ihr Wasser. Sie nahm es nicht. Als er ihr den
Becher an die trockenen Lippen setzte, begann sie gierig zu
schlürfen, zu schlucken. Sie trank das Glas leer, sie nahm auch
einen Bissen Wurst in den Mund, schluckte ihn aber lange
nicht. Einen zweiten Bissen verweigerte sie.
Als sie trank, warf Alexej einen triumphierenden Blick auf
Mac.
Mac übersah es. Er fühlte sich erleichtert. Alexej schien
Recht zu behalten. Und Mac störte sich nicht daran, dass sie
den Rest des Tages apathisch verbrachte.
Sie hatten sie auf Macs Lager gebettet. Dort verharrte sie fast
regungslos. Einmal setzte sie sich auf. Das war, als Alexej der
fortschreitenden Dunkelheit wegen die Beleuchtung
einschaltete.
Später zogen sie ihr den Anzug aus, was sie geschehen ließ,
und brachten sie zu Bett.
„Lange mache ich das nicht mit“, sagte Mac, bevor sie das
Licht löschten. –
Allan Nagy beobachtete vom Dispatcherturm des Kosmodroms
aus das Entladen des Großcontainers. Flüchtig musterte er die
Tiere beim Vorbeischwenken der oben bereits geöffneten
Einzelboxen.
Die Schweine standen noch unter dem Einfluss der
Beruhigungsdrogen, die ihnen während des Transports
verabreicht worden waren.
Allan Nagy fühlte sich, als sei auch er soeben aus einer
Narkose erwacht. Leichte Kopfschmerzen pochten, und eine
Benommenheit erschwerte konzentriertes Denken.
Flugnachwehen des untrainierten Neulings. Freilich, er hätte
sich an Bord Medikamente verabreichen lassen können. Allein
die spöttisch-abwartenden Blicke der dreiköpfigen Besatzung
hatten ihn davon abgehalten. Nicht einmal Gunda, die
sympathische Navigatorin, machte da eine
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