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Die Marsfrau

Die Marsfrau

Titel: Die Marsfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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bedrängende
Furcht nicht mehr verspürte, weil er wieder über sich lächeln
konnte.
Mac rekelte sich auf dem Sitz, schlug die Dachschale noch
weiter zurück, wozu er sich aufrichten musste, stellte mehr
unbewusst fest, dass man von der überhöhten Kanzel eine sehr
gute Rundsicht hatte – und erstarrte jäh in der Bewegung. Das
war, als sein Blick über die jenseitige Uferlinie des Cañons
glitt, als das verfallene Messgerüst aus der Pionierzeit in sein
Sehfeld geriet. Dort lehnte auf schräg stehenden Stangen ein
menschenähnliches Wesen.
Verstört strich sich Mac über die Augen. Die dünne
Atmosphäre über der Hügelkette und dem Cañon flirrte, Dunst
stand da, erzeugt im Wechsel zwischen üppiger,
feuchtigkeitsverdunstender Vegetation und der kahlen,
trockenen Hügelkette.
Zunächst unternahm Mac nichts. Eine Weile saß er wie
gelähmt und versuchte, Ordnung in seine Gedankengänge zu
bringen. Er sah nicht mehr hinüber, sondern starrte in die
Ebene hinein, unfähig, sich zu konzentrieren. Er kletterte aus
der Kanzel, fuhr die rechten Beine der Maschine wieder aus,
sodass das Aggregat in eine bedrohliche Schieflage geriet, ließ
die Hydraulik zusammensacken, wiederholte das Ganze drei,
vier Mal.
Dann zog es seinen Blick abermals über den Cañon. Aber er
konnte vom Boden aus nur das sehen, was von der Spitze des
Signalmastes noch übriggeblieben war.
Mac handelte mechanisch. Mit Akribie nestelte er am Etui,
zog das Fernglas hervor und – was er sonst nie getan hätte –
verschloss den Behälter wieder. Dann hängte er sich das Glas
um den Hals und brachte die Halteriemen auf eine angenehme
Länge. Damit fertig, sah er sich um, ob noch etwas zu tun
bliebe. Erst dann gab er sich einen Ruck und stieg wieder nach
oben in die Kanzel. Als er bequem im Sessel saß, sah er
abermals auf das andere Ufer.
Am Gerüst hatte sich nichts verändert. Die Frau hatte aber, so
schien ihm, jetzt ein Bein angewinkelt.
Langsam hob Mac das Glas an die Augen, stützte die
Ellbogen auf die herabgelassene Kanzelscheibe und brachte
die Okulare in die richtige Stellung.
Die Luftturbulenzen, jetzt durch die Optik noch verstärkt,
ließen das Bild gleichsam schweben, Wellen glitten darüber
hin, verkürzten und dehnten einzelne Partien. Aber das alles
täuschte nicht darüber hinweg: Dort lag in der prallen, warmen
Sonne, schräg gegen das Gerüst gelehnt, eine menschliche
Gestalt. Mac sah sie im Profil. Es bestand kein Zweifel, dass es
eine unbekleidete Frau war. Allerdings, er hätte nicht schwören
können, dass sie – wie das erste Mal – grünlich aussah. Der
Körper reflektierte im Auflicht, und das Flirren ließ die
Reflexe tanzen, sodass ein klares Bild nicht zu Stande kam.
Sorgfältig drehte Mac an der Feineinstellung, aber
Deutlicheres ließ sich nicht herausholen. Worin jedoch kein
Zweifel bestand: Sie hatte blondes langes, sehr langes, aber
offenbar wirres Haar, ein schmales, kantiges Gesicht, und
einmal war ihm, als benetze sie mit der Zunge die Lippen. Ob
sie die Augen offen oder geschlossen hielt, konnte er nicht
ausmachen.
Dann gewahrte er deutlich, wie sie sich mit der linken Hand,
anscheinend in Gedanken, über die Magen- und Bauchgegend
strich.
Da kam Leben in Mac. Er handelte.
Zunächst überprüfte er den Sauerstoffvorrat, erinnerte sich,
dass zum Bordwerkzeug ein Seil gehörte, kramte es hervor,
und dann stieg er entschlossen von der Maschine. Er schritt
schnurstracks den Hang hinauf auf die Signalspitze, auf das
Ufer des Cañons zu.
Als er den Einschnitt erreicht hatte, bekam er noch einmal
einen Blick zwischen zwei flachen Hügeln hindurch auf das
Wesen frei. Es sonnte sich nach wie vor.
Mac begann mit dem schwierigen Abstieg. –
Es dauerte fast eine Stunde, bevor Mac, des Bergsteigens
unkundig, die Sohle des Cañons erreicht hatte.
    Je mehr Zeit verging, desto mehr schwand bei ihm die
Hoffnung, dass sein Tun überhaupt einen Sinn haben könnte.
Dazu begannen wieder Zweifel zu nagen, ob er vielleicht
abermals nur einem Phantom nachjagte.
    Dann schoss ihm durch den Kopf, was wohl Alexej
annehmen mochte, wenn er den Außendienst gar zu lange
ausdehnte. Nun gut, gefährliche Stellen, wie
Flugsandschründe, gab es in der Nähe des Cañons nicht. Sie
fanden sich weiter westlich, aber trotzdem! Mac handelte
gegen die Sicherheitsvorschriften, die, zugegeben, keiner
genau nahm, Alexej auch nicht, aber er wusste natürlich, dass
der Rote Planet noch viel Unentdecktes und sicher auch
unbekannte Gefahren barg.

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