Die Maschen des Schicksals (German Edition)
gehabt hatte, und sie war nicht besonders erpicht darauf, ihre Motivation gleich an einem Projekt zugrunde gehen zu lassen, das zu schwer für sie war.
Sie wollte es gerade aussprechen, als die Frau ihr erklärte, dass die Verzierungen durch die Wolle selbst entstanden waren.
„Sie meinen, ich bräuchte einfach nur drauflos zu stricken?“
„So ist es. Die Wolle entwickelt das Muster von selbst.“ Die Frau fuhr fort, indem sie ihr erklärte, wie viel der Kurs kostete, wobei die Wolle und alle Hilfsmittel im Preis enthalten waren. „Übrigens, ich bin Lydia Hoffman, und das ist meine Schwester Margaret. Wir arbeiten zusammen.“
„Elise Beaumont“, stellte sie sich vor und lächelte die beiden an. Beim näheren Hinsehen wurde offensichtlich, dass die beiden miteinander verwandt waren. Die Ältere der beiden, Margaret, war kräftig gebaut, während die andere, Lydia, klein und zierlich war. Doch ihre Gesichter hatten die gleiche Form, mit ausgeprägten Wangenknochen und großen dunklen Augen. Sie ertappte sich dabei, wie sie die beiden anstarrte, und fügte schnell hinzu: „Ich bin gerade in Rente gegangen und dachte mir, ich fange wieder an zu stricken.“
„Das ist eine wunderbare Idee!“
Elise lächelte über Lydias Begeisterung. Margaret hatte sich wieder auf die Unterlagen konzentriert, die vor ihr auf dem Tresen lagen. Offenbar handelte es sich um Bestellkataloge und Formulare.
„Ich denke, es ist gut, mit einem Kurs wieder anzufangen“, sagte Elise.
Lydia nickte. „Ich bin froh, dass Sie beschlossen haben vorbeizukommen.“ Sie führte sie in den hinteren Teil des Ladens, wo ein Tisch und Stühle aufgestellt waren. „Wenn Sie Freitagnachmittag Zeit haben, würde ich Sie gern zu unseren Stricktreffen für die Wohlfahrt einladen.“
„Noch ein Kurs?“ Elise konnte sich nur einen leisten.
„Nicht direkt. Es entstehen keine Kosten. Ein Teil meiner Stammkundinnen kommt hierher, um für verschiedene Spendenprojekte und Organisationen zu stricken. Sie wären uns sehr willkommen, Elise.“ Sie erzählte von „Warm Up America“, dem „Linus-Projekt“ und „ChemoCaps“ für Menschen, die eine Chemotherapie durchmachten.
„Stellen Sie die Wolle?“, wollte Elise wissen, weil sie wieder an ihr begrenztes Budget denken musste.
„Auf jeden Fall, ja“, erwiderte Lydia. „Zumindest einen Teil davon. Für die „Warm Up America“-Decken haben ein paar Förderer Wollreste gespendet, und jeder, der für eins der anderen Projekte Wolle kauft, bekommt darauf einen Rabatt.“
„Ja, vielleicht werde ich kommen. Klingt auf jeden Fall interessant.“ Elises Terminkalender war nahezu leer, und sie suchte nach Möglichkeiten, ihn zu füllen. Bisher hatte sie sich einer Lesegruppe angeschlossen, die sich einmal im Monat in einer der Filialen der Stadtbibliothek von Seattle traf. Und sie hatte sich gemeldet, um ehrenamtlich die Rundschreiben der Kirche zu falten. Außerdem war sie eine große Unterstützerin der lokalen Blutbank und arbeitete auch dort unentgeltlich jeden Montag von morgens bis nachmittags am Empfang.
„Möchten Sie sich für den Kurs zum Sockenstricken eintragen?“, fragte Lydia nach. „Ich bin sicher, es wird Ihnen gefallen.“
Wieder war Elise von der Freundlichkeit der Frau angenehm berührt. „Ja, ich denke schon.“ Sie öffnete ihre Tasche und holte ihr Scheckheft heraus. „Wie viele Leute werden an dem Kurs denn teilnehmen?“, erkundigte sie sich, während sie den Scheck ausschrieb.
„Ich würde es gern auf sechs beschränken.“
„Haben Sie schon viele Interessenten?“
„Noch nicht, aber das Schild hängt erst seit Dienstagmorgen draußen. Sie sind die Erste, die sich anmeldet.“
„Die Erste“, wiederholte Elise. Und aus unerfindlichen Gründen verspürte sie eine gewisse Freude bei dem Gedanken, die Erste zu sein.
Schließlich beschloss sie, doch noch einen Strauß dieser wunderbaren Nelken für Aurora zu kaufen.
3. KAPITEL
Bethanne Hamlin
S o sollte es nicht sein, dachte Bethanne Hamlin traurig, als sie die Auffahrt zu ihrem Haus in Capitol Hill hochfuhr. Das Gebäude, errichtet in den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts, bevor es als zu unsicher galt, mit Steinen auf einem erdbebengefährdeten Gebiet zu bauen, war ihr Traumhaus gewesen. Sie hatte sich auf den ersten Blick darin verliebt. Die kurze steile Auffahrt endete vor der Garage im Untergeschoss. Betonstufen führten zu einer kleinen Terrasse, und die Vordertür hatte einen Bogen. Wie der Eingang
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