Die Maschen des Schicksals (German Edition)
Kleidung.
„Wohin … wohin willst du?“ In ihrem Kopf überschlugen sich die Fragen, und die belangloseste war die erste, die sie aussprach.
„Ich ziehe zu Tiffany“, verkündete er.
„Tiffany?“, wiederholte sie ungläubig. Warum sie ausgerechnet in der schrecklichsten Situation ihres Lebens diese Komik entdeckte, würde sie nie begreifen. Mit einem Mal musste sie lachen. „Du verlässt mich wegen einer Frau, die
Tiffany
heißt?“
Er sah sie wütend an, als hätte sie den Verstand verloren. Und vielleicht war das ja auch der Fall. „Hau ab“, sagte sie fast lässig und wedelte mit der Hand. „Ich will, dass du verschwindest.“
Wie um ihren Wunsch zu untermauern, stapfte sie in den Keller hinunter und holte einen zweiten, noch größeren Koffer, den sie ins Schlafzimmer schleppte. Auf dem Weg überlegte sie angestrengt, ob sie dieser Tiffany je begegnet war. Soweit sie wusste, war das nicht der Fall. In Grants Büro wimmelte es von Frauen. Doch sie hätte nie gedacht, dass er in der Lage wäre, sie so zu hintergehen. Obwohl sie schon außer Atem war, nachdem sie den schweren Koffer die beiden Treppen hochgeschleppt hatte, verschnaufte sie nicht, ihr Ärger trieb sie an.
Sie warf den leeren Koffer achtlos auf das Bett und ignorierte die dicke Staubwolke, die sich dabei über die weiße Decke legte. Dann zog sie die Schranktür auf, packte die Anzüge mit einem Griff und warf sie mitsamt den Bügeln in den Koffer.
„Bethanne!“, rief Grant. „Hör auf.“
„Nein!“, schrie sie fast. Dann, etwas leiser, fragte sie: „Wie lange geht das schon mit dir und Tiffany?“ Als er nicht antwortete, drängte sie weiter. „Wie alt ist sie überhaupt?“ Kaum hatte sie mit diesen Fragen begonnen, gab es kein Halten mehr. „Ist sie auch verheiratet, oder bin ich die Einzige, die abserviert wird?“
Grant vermied es, sie anzusehen.
„Schon eine ganze Weile?“
Noch immer sah er sie nicht an und fuhr fort, seinen Koffer zu packen. Sie war wieder in die alte Gewohnheit verfallen – und faltete, glättete und ordnete seine Kleidungsstücke, die sie zuvor achtlos in den großen Koffer geworfen hatte.
„Ein Monat? Zwei Monate? Ist sie gut im Bett?“
„Bethanne, nicht.“
„Wie lange?“ Sie wollte keine Ruhe geben, bevor er ihr nicht die Wahrheit sagte.
Er stieß einen langen Seufzer aus, als hätte sie ihn mit ihrer Unnachgiebigkeit besiegt. „Zwei Jahre.“
„
Zwei Jahre!“
, schrie sie, außer sich vor Zorn. „Mach bloß, dass du rauskommst!“
Er nickte nur.
„Hau ab und komm nie wieder!“ In diesem Augenblick hatte sie es auch so gemeint. Doch nach nicht allzu langer Zeit wünschte sie sehnlichst, er wäre wieder zu Hause. Inzwischen war es ihr peinlich, wie verzweifelt sie versucht hatte, die Liebe ihres Mannes zurückzugewinnen. Sie war bereit gewesen, alles zu tun – einen Rechtsanwalt aufsuchen, betteln, locken, diskutieren. Einmal war sie an dem Punkt angelangt, kurz vor der Gerichtsverhandlung, da hätte sie zehn Jahre ihres Lebens gegeben, wenn Grant wieder zu ihr und den Kindern zurückgekehrt wäre.
Doch nachdem er erst mal das Haus verlassen und zu Tiffany gezogen war, hatte er nicht mehr die Absicht gehabt wiederzukommen. Es hätte sie fast umgebracht. Irgendwann musste sie es akzeptieren: Grant würde nie mehr zurückkehren. Er liebte sie nicht mehr, und nichts, was sie sagte oder tat, würde daran etwas ändern.
Ihre Ehe war kaputt, und ihre Selbstachtung zerstört. Wären die Kinder nicht gewesen, Bethanne hätte nicht gewusst, was sie getan hätte. Andrew und Annie brauchten sie mehr denn je, und nur für sie machte sie weiter.
Als sie endlich einen Termin mit dem Anwalt verabredet hatte, war der Mann sehr offen und hilfreich gewesen. Es wurde eine finanzielle Vereinbarung getroffen, die fair schien. Mit so viel Gerechtigkeitssinn, wie er aufbringen konnte, bezahlte Grant die Hypotheken auf das Haus, ihre Autos und die Rechnungen ihrer Kreditkarten, sodass sie beide zunächst schuldenfrei waren. Er wurde verpflichtet, für zwei Jahre Alimente zu zahlen, zusätzlich zu dem Unterhalt für die Kinder, bis diese die Highschool absolviert hätten. Die Studienkosten würden sie sich teilen. Bisher hatte er immer pünktlich bezahlt, doch dafür sorgte der Staat schon. Bethanne würde bald einen Job finden müssen, doch aus Dutzenden von Gründen hatte sie das immer wieder aufgeschoben.
Jetzt war es sechs Monate her, dass die Scheidung rechtsgültig wurde, und der Nebel
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