Die Maschen des Schicksals (German Edition)
sich. Courtney stürmte an ihnen vorbei und hielt dabei die Arme hoch, damit diese nicht mit dem kalten Wasser in Berührung kamen. Als sie die Stelle erreichte, an der das Becken in Bahnen eingeteilt und tief wurde, blieb ihr nichts übrig, als ganz einzutauchen. Eiskalt! Die Fluten, in denen die Titanic versunken war, konnten nicht annähernd so eisig gewesen sein.
Als sie schließlich in der mittleren Spur ankam, stemmte sie die Füße gegen die Wand des Schwimmbeckens und stieß sich ab. Am anderen Ende der Bahn schnaufte sie bereits und musste sich erst mal am Beckenrand festhalten, um Atem zu schöpfen.
Ihre Großmutter und die anderen schienen keine derartigen Probleme zu haben. Sie waren vielleicht achtzig, schwammen aber nicht nur die ganze Länge des Beckens durch, sondern ruhten sich nicht mal aus, bevor sie umkehrten. Keiner musste erst mal Luft holen.
Courtney schaffte schließlich im Ganzen zehn Runden und machte nach jeder eine Pause. Als sie die zehnte hinter sich hatte, blieb sie am Rand, um ihre Schwimmbrille zurechtzurücken, auch wenn die noch einwandfrei saß. Es war ein Vorwand, um eine kleine Extraverschnaufpause einzulegen. Danach war sie bereit, die elfte Bahn in Angriff zu nehmen, und verspürte regelrechten Stolz dabei.
Ihre Großmutter hatte ihr erklärt, dass sechzehn Bahnen eine halbe Meile wären. In diesem Fall war eine halbe Meile im Wasser eine beträchtliche Menge mehr als auf dem Land. Nach einer kurzen Berechnung kam sie zu dem Schluss, dass sie bereits drei Viertel von einer halben Meile geschwommen war. Wahnsinn!
Sie nahm sich vor, sofort auf die Waage zu steigen, wenn sie nach Hause kam. Nach so einer Anstrengung musste sie doch abgenommen haben. Es wäre eine große Erleichterung, zu beobachten, wenn sich die dünne Nadel der altertümlichen Waage ihrer Großmutter nun endlich in die andere Richtung bewegte.
„Es wird Zeit, aus dem Wasser zu steigen“, verkündete ihre Großmutter, bevor Courtney in die elfte Runde startete.
„Ich will noch zwei Bahnen schwimmen“, protestierte sie.
„Aber nicht heute. Es ist Mittwoch. Da kommt das Schwimmteam um sieben.“
Courtney rieselte ein kalter Schauer über den Rücken, der nichts mit dem kalten Wasser zu tun hatte. „Das Schwimmteam? Du meinst doch wohl nicht etwa das Schwimmteam von der Highschool?“
Vera nahm die Schwimmbrille ab und blickte Courtney verständnislos an. „Warum? Stört dich das?“
Natürlich störte sie das. Es war schlimm genug, sich vor den Freundinnen ihrer Großmutter zu entblößen. Aber der Gedanke, dass irgendeiner von der Schule sie
so
sehen konnte, war der reine Horror.
Eine Katastrophe. Um alles noch schlimmer zu machen, hatte sie nicht mal ihr Handtuch aus dem Umkleideraum mitgebracht. Sie warf einen Blick durch die großen Glastüren, die den Pool vom Foyer trennten. Gerade als sie aus dem Becken springen und losrennen wollte, öffnete sich die Tür zum Vorraum, und eine Reihe von unglaublich schlanken Mädchen kam in die Schwimmhalle. Courtney wagte nicht, nach den Jungen zu sehen, die ihnen folgten. Die weiblichen Mitglieder des Schwimmteams waren einschüchternd genug.
Sie erstarrte, ratlos, was sie nun tun sollte. Wenn sie jetzt hinauskletterte, präsentierte sie ihren zu engen Badeanzug und das ganze Fett vor all diesen Schülerinnen. Inmitten dieser vielen alten Ladys würden diese Mädchen bestimmt sofort jemanden in ihrem Alter bemerken.
„Courtney!“, sagte ihre Großmutter laut vom Beckenrand. „Es wird Zeit, dass du rauskommst.“
„Ich weiß.“ Sie ließ sich für einen Moment auf den Boden des Beckens sinken und wünschte sich, dort bleiben zu können, bis niemand mehr in der Halle war.
Schließlich blieb ihr irgendwann nichts weiter übrig, als aufzutauchen, aus dem Wasser zu steigen und sich der Welt zu zeigen. Den Blick zu Boden gerichtet, lief sie in den Umkleideraum, der jetzt voller spindeldürrer Teenager war.
Zwei Wochen lang hatte Courtney sich sehnsüchtig gewünscht, jemanden in ihrem Alter zu treffen – aber nicht so, wenn sie praktisch nackt und ohne jeden Schutz war. Diese Schwimmteam-Mädchen hatten nicht ein Gramm Fett zu viel an sich. Sie sahen perfekt aus.
Mit gesenktem Kopf beeilte sich Courtney, zu ihrem Schließfach zu kommen.
„Du solltest duschen“, sagte Leta, die neben ihr auftauchte. „Ich bin jetzt fertig, du kannst die mittlere benutzen.“
„Ich dusche, wenn ich zu Hause bin“, murmelte Courtney. Sie schnappte sich ihr
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