Die Maschen des Schicksals (German Edition)
Tränen. „Danke“, flüsterte sie.
Ich umarmte sie noch einmal fest, froh darüber, dass endlich alles gesagt war. Auch wenn wir unnötig lange dafür gebraucht hatten.
11. KAPITEL
Elise Beaumont
E lise war auf das Wiedersehen mit Marvin „Maverick“ Beaumont so gut vorbereitet, wie es nur ging. Er sollte an diesem Nachmittag eintreffen. Ihre Tochter hatte bereits seit Tagen im Haus herumgewerkelt, gekocht und geputzt, als erwarte sie eine königliche Hoheit. Dieser ganze Aufwand machte Elise unendlich nervös. Zu jeder anderen Zeit und für jede andere Person hätte sie einfach mitgemacht und sich in die Vorbereitungen gestürzt. Trotz ihres Widerwillens hatte sie dann doch ein wenig geholfen, meist, indem sie sich mit den Jungs beschäftigte, sodass Aurora ungehindert Ordnung schaffen, staubsaugen und polieren konnte.
„Mom“, rief Aurora, die besorgt in das blitzsaubere Wohnzimmer gerannt kam, wo Elise ihren Enkelsöhnen etwas vorlas. „Wo hast du die Vanille hingetan?“
Seufzend legte Elise den „Hobbit“ zur Seite. „Die steht im Schrank neben dem Herd, rechts.“
„Da ist sie aber nicht!“ Die Panik wuchs.
„Aurora“, sagte Elise äußerst nachsichtig, während sie in die Küche ging. „Sie ist genau dort, wo ich gesagt habe. Sieh noch mal nach.“ Zum Beweis öffnete sie den Schrank, holte das kleine Fläschchen mit Vanille heraus und reichte es ihrer Tochter. „Was backst du denn?“
„Karottenkuchen – den mag Dad am liebsten.“
Elise hatte diesen Kuchen vor vielen Jahren für Maverick gebacken und das Rezept an Aurora weitergegeben. Es lag auf der Hand, dass sie keinen Möhrenkuchen mehr buk oder aß, denn … nun, wegen der Erinnerungen. Er hatte sich immer so darüber gefreut und sich liebevoll dafür bedankt. Dies waren die Situationen, die sie am ehesten aus ihrem Gedächtnis streichen wollte. Über die Jahre hatte sie versucht, vor allem an die Enttäuschungen und Sorgen zu denken. Denn das machte es ihr leichter, mit der Scheidung klarzukommen. Sie hatte diesen Mann geliebt. So sehr geliebt, bis sie sicher gewesen war, den Verstand zu verlieren, wenn sie sich nicht von ihm trennte.
„Danke, Mom“, sagte Aurora und sah ihrer Mutter lange in die Augen. Dann seufzte sie. „Ich weiß, es ist schwierig für dich.“
„Mach dir keine Gedanken“, entgegnete Elise. „Ich werde deinem Vater so weit wie möglich aus dem Weg gehen. Allerdings habe ich eine einzige Bitte: Versuche nicht, uns zusammenzubringen.“ Die nächsten beiden Wochen würden ziemlich ungemütlich werden. Doch sie nahm an, dass er genauso darauf bedacht war, ihr nicht zu begegnen.
„Nein, das werde ich nicht tun. Versprochen.“
„Danke.“ Elise ging wieder ins Wohnzimmer zurück, wo sich Luke und John auf dem sorgfältig gesäuberten Teppich einen Ringkampf lieferten. Sie hatten schon einen Stapel Zeitschriften umgeworfen, den sie schnell wieder zusammenlegte. „Jungs, Jungs!“, rief sie und klatschte laut in die Hände. „Setzt euch hin.“ Widerwillig gehorchten ihre Enkel. John kletterte auf ihren Schoß und kuschelte sich in ihre Armbeuge, als sie wieder nach dem Buch griff. Mit seinen sechs Jahren war abzusehen, dass er das nicht mehr sehr lange tun würde. Sie genoss diese besonderen Momente.
Wie vorauszusehen kam Maverick eine Stunde später als angekündigt. Er verursachte eine Aufregung wie Hannibal vor der Überquerung der Alpen. Mit einem lauten „Hallo“ kam er durch die vordere Eingangstür, den Koffer hinter sich herziehend und bepackt mit Geschenken. Luke und John waren sofort bei ihm, kreischten und sprangen auf und ab, um seine Aufmerksamkeit zu ergattern und natürlich die Mitbringsel.
Es war zwanzig Jahre her, seit Elise und er sich das letzte Mal begegnet waren. Er hatte eigentlich zu Auroras und Davids Hochzeit kommen wollen, doch sein Flug war wegen eines Wintersturms gestrichen worden. Elise wusste bis heute nicht, ob es nun das Unwetter oder ein Pokerspiel gewesen war, das seine Pläne durchkreuzt hatte. Sowohl Luke als auch John waren gerade zur Zeit eines wichtigen Turniers geboren worden. Er hatte riesige Blumensträuße zu diesen Anlässen geschickt, als hätte das ein Ersatz für seine Anwesenheit sein können.
Elise hatte vorgehabt, sich in ihr Zimmer zurückzuziehen, wenn er eintraf. Doch sie blieb wie angewurzelt auf ihrem Platz und musste ihn einfach ansehen. Mavericks rotes Haar war jetzt erschreckend weiß. Er trug einen ordentlich gestutzten Bart,
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